Leseprobe „Das grenzenlose Und“
Glaube mir, will ich sagen, ich habe jeden Grund für mich überprüft, jeden, der für mich in Frage kommen würde, ganz genau, in allen Details.
Die Welt verändern, das wäre einer gewesen, ja, die Welt würde ich verändern wollen, und das ist ein guter Grund, um am Leben zu bleiben. Doch ich wäre naiv, wenn ich glaubte, ich könnte tatsächlich etwas verändern, diesen Wunsch haben viele, vielleicht sogar alle, und doch bleibt immer alles, wie es ist. Weil niemand es schafft, niemand es kann, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, für alle, nicht nur für sich selbst. Wie auch, wenn alle Angst vor Veränderung haben, dass etwas Unvorhergesehenes geschehen könnte, sich auf etwas Neues einzulassen. Ach, was denke ich, ich weiß ja selbst nicht, wie und was ich verändern würde, alles wird sowieso immer schlimmer.
Aus sich selbst etwas machen, ja, das wäre ein Grund, jemand werden, jemand sein, sich entwickeln, ein guter Mensch werden, vielleicht anderen helfen, sich kümmern, vielleicht lieben, vielleicht geben, ohne etwas haben zu wollen. Das ist ein guter Grund, um zu leben. Aber ich bin nichts und werde auch nichts werden, ich bin ich, mit dem Schmerz in mir, den ich weiterverteile, weiterleite, um weniger tragen zu müssen. Ich verletze die Menschen, wie jeder es tut, der sich selbst erduldet. Weil die Last allein so schwer zu tragen ist und weil man Verbündete braucht, Opfer und Täter und Feinde. So wird der Schmerz größer und größer, nur weil ich mich quäle und die Menschen für dieses Leiden brauche. Wenn ich tot bin, stirbt auch die Qual. Ich helfe, wenn ich sterbe.
Seinen Platz finden in der Welt, seine Nische, die niemand sonst ausfüllen kann in dieser Welt, die reserviert ist für mich. Diesen Platz zu finden, das wäre ein guter Grund, um am Leben zu bleiben. (S. 73-74)