Pinfold, Levi: Grünling
Ein Ohr für die Natur
von Lena Honnef & Lisann Wagner (2016)
Levi Pinfolds Bilderbuch „Grünling“ erzählt mittels detailreich gestalteter Bilder und gereimtem Text die Geschichte eines ungewöhnlichen Kindes, welches das Leben einer gesamten Gemeinschaft durch seinen Zauber verändert.
Die ersten Seiten des Buches zeigen die Landschaft, in der Herr und Frau Hafermann leben. Ihr Grundstück ist von einer tristen Sumpflandschaft umgeben, über die sich auf hohen Holzpfählen eine Bahnstrecke zieht. Eines Tages entdeckt Herr Hafermann eine seltsam leuchtende Pflanze, aus der ein kleiner grüner Kinderkopf lugt. Herr Hafermann bringt das unbekannte Wesen mit nach Hause, doch seine Frau reagiert mit Zurückweisung. „Doch ein Kind gibt man nicht einfach zurück.“ So kommt es dazu, dass Herr Hafermann dem Grünling gegen den Willen seiner Frau mitten in der Küche liebevoll ein Bett aus Erde errichtet. Über Nacht verwandeln sich der Wohnraum sowie das gesamte Grundstück der Hafermanns in eine Oase, übersät mit allen Schätzen der Natur. Auch über ihr Anwesen hinweg wuchern die Pflanzen in solch einem Ausmaß, dass die angrenzende Bahnstrecke blockiert wird. Dies führt zu großem Ärger der Zuginsassen, weshalb auch sie den Grünling loswerden wollen. Nach diesem Vorfall erkennt jedoch auch Frau Hafermann das eigentliche Glück der vermeintlichen Plage, nämlich den Nutzen der natürlichen Ressourcen, die Wunder der Natur. Sie nimmt den Grünling in Schutz und stellt sich gegen die Forderungen der verärgerten Anderen. Schlussendlich erkennen aber auch sie die Magie und die Gaben des Grünlings.
Levi Pinfold thematisiert in seinem dritten Bilderbuch den Umgang des Menschen mit der Natur. Die Leser sollen für die Schätze der Natur sensibilisiert werden und ihr ein offenes Ohr verleihen. Es wird eine Art Friedensvertrag zwischen Mensch und Natur vorgeschlagen, der auf die Notwendigkeit eines behutsamen Umgangs mit der Natur verweist – aktueller denn je, haben die 195 Staaten in Paris eine Einigung getroffen, wie der Weg in Richtung ‚Frieden‘ aussehen könnte. Dass der achtsame Umgang der Menschen mit der Natur ein Thema ist, mit dem sich schon die Kleinsten befassen sollen, wird in Levis Bilderbuch mithilfe des Grünlings vermittelt. Vor allem Frau Hafermann, welche den größten Sinneswandel während der Geschichte durchläuft, kann ihre Ängste vor Neuem ablegen und den Grünling schätzen lernen. Sie stellt anfangs die Verkörperung der Konsumgesellschaft dar: Sie übersieht die natürlichen Schätze und hat den Drang, trotz des Vorhandenseins dieser, Einkäufe tätigen zu wollen. Dennoch kommt ihr eigentlich liebevoller Kern zum Vorschein. Durch die Verkörperung der Natur in Form eines grünen Kindes, nimmt Frau Hafermann eine Mutterrolle an, die sie sogar soweit bringt, sich gegenüber der aufgebrachten Menge für das seltsame grüne Kind und somit auch für die Natur einzusetzen. Neben Frau Hafermann sind auch Herr Hafermann, der sich von Anfang an liebevoll ohne jegliche Scheu um den wundersamen Erdling kümmert, und der Grünling Hauptfiguren der Geschichte. Der Grünling, ein Kind, welches diejenigen belohnt, die sich auf ihn und die Natur einlassen, sich um ihn kümmern und dafür reich beschenkt werden.
Durch die realitätsgetreuen Zeichnungen wird der Wandel der Figuren verdeutlicht. Die zunächst ängstliche, abstoßende und sehr distanzierte Verhaltensweise Frau Hafermanns und der Zuginsassen gegenüber dem fremden Wesen untermalt Levi Pinfold mit dunklen und gräulichen Naturtönen. Je positiver sie gegenüber dem Grünling und der Natur werden, desto farbenfroher ist auch das Buch gestaltet. Erst durch die Magie, die der Grünling mit sich bringt, werden die Farben kräftiger. Durch die Hinzunahme von Grün- und Rottönen wirken die Bilder und die Figuren lebendiger und verleihen den Bildern eine harmonische, weiche Farbgebung. Auch auffällig ist die Farbanpassung in Bezug auf den jahreszeitlichen Ablauf: Je mehr das Jahr auf die wärmeren Monate hinzuläuft, desto farbenfroher werden auch die Illustrationen. Diese farbenfrohen Illustrationen erinnern an die fruchtbaren Jahreszeiten Frühling und Sommer. Als das grüne Kind am Ende des Buches verschwindet, verlieren die Zeichnungen wieder an Farbe, ähnlich wie die Pflanzen im Herbst. Neben der farblichen Gestaltung spielt auch die Perspektive des Erzählers eine besondere Rolle. Durch die randlosen Bilder sowie eine teilweise direkte Ansprache bekommt der Leser den Eindruck, Teil des Geschehens zu sein. Ihm werden durch die Perspektive des Erzählers als Außenstehender alle nötigen Informationen vermittelt.
Das Layout, welches sich durch ein größeres Verhältnis der Bilder zum Text auszeichnet, gestaltet dieses Buch für Kinder ab sechs Jahren sehr ansprechend. Das Bild füllt immer mehr als die Hälfte der Doppelseite aus. Findet man eine Seite mit mehreren Zeilen an Text, wird dieser mit Bildern in Form von jeweils zwei Dreiecken oder vier Quadraten begleitet. In den kleinen Bildern findet der Leser eine inhaltliche Zwischensequenz vor. So wird den Kindern das Verstehen des Inhalts und des gereimten Textes erleichtert. Da der gereimte Text durch die Bilder ergänzt wird, wirkt das Buch kindgerecht gestaltet. Es gibt Kindern die Möglichkeit, ein Gespür für die Wunder der Natur zu entwickeln.