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Titelbild
David Arnold:
Auf und davon. Roman
Aus dem Amerikanischen von Astrid Finke
München: heyne fliegt 2015
380 Seiten
€ 14,99 / E-Book: € 13,99
Jugendbuch ab 14 Jahren

Arnold, David: Auf und davon. Roman

1524km anders sein

von Sarah Schäfer (2016)

„Dinge werden erst Dinge, wenn man sie ausspricht.
Ich bin Mary Iris Malone, und mit mir stimmt etwas nicht.“

Mary Iris Malone, Mim genannt, ist ziemlich unzufrieden mit ihrem Leben in Jackson, Mississippi. Sie hat genug von dem Leben mit ihrem Vater und dessen neuer Frau Kathy. Als sie dann auch noch durch Zufall mitbekommt, dass ihre Mutter, von der sie seit mehr als drei Wochen nichts mehr gehört hat, schwer krank zu sein scheint, steht für Mim endgültig fest, was zu tun ist: „Das Wohin weiß sie schon seit einiger Zeit: Cleveland, Ohio, 1524km entfernt. Aber bis heute war sie nicht sicher, was das Wie oder das Wann betraf. Das Wie: ein Greyhound-Bus. Das Wann: pronto, schnellstmöglich, dalli, dalli.“ Mim schnappt sich die Gelddose ihrer Stiefmutter, fährt zur Bushaltestelle und begibt sich auf einen Roadtrip, der reich ist an skurrilen Begegnungen und Erfahrungen.

Mim ist einerseits ein humorvoller, sarkastischer und wahnsinnig kluger Teenager, hat andererseits aber auch einige ‚Besonderheiten’ an sich: Sie schreibt während ihrer Reise immer wieder Briefe, in denen sie teilweise von sich selbst in der dritten Person berichtet und sich selbst als ‚Heldin der Geschichte’ darstellt. Die einzige Erinnerung, die ihr noch an ihr Mutter geblieben ist, ist deren Lieblingslippenstift. Mim malt sich damit immer wieder ihre „Kriegsbemalung“ ins Gesicht, welche sie wie einen Moskito aussehen lässt. (Der Originaltitel „Mosquitoland“ passt daher auch deutlich besser als der deutsche Titel „Auf und Davon“, auch wenn die Übersetzung von Astrid Finke ansonsten überzeugt). Was ihre Mutter und ihre Stiefmutter betrifft, hat Mim ein klares Bild: Ihre Mutter, die von ihrem Ehemann betrogen worden ist, ist die Gute in der Geschichte. Kathy dagegen ist der Grund, wieso ihre Familie zerbrochen ist und wieso ihre Mutter den Kontakt zu ihr abgebrochen hat. Mim verwechselt die Briefe, die ihre Mutter und Kathy aneinander geschrieben haben, und bemerkt dies nicht, weil so sie aus ihrem gewohnten Denken nicht ausbrechen muss.

Mim behauptet von sich selbst, dass mit ihr etwas nicht stimme. Diese Meinung wird ihr jedoch sehr stark durch ihren Vater eingebläut, der immer und immer wieder darauf beharrt, dass mit ihr etwas nicht stimme. Für Mim wird es durch dieses Aussprechen erst zu dem, was es zu sein scheint: Sie ist anders. Gepackt von der Angst, seine Tochter könne ebenso wie Mims Mutter psychische Probleme haben, schleppt er sie von Arzt zu Arzt und ist erst dann zufrieden, als er jemanden findet, der Mim Abilitol verschreibt, ein Medikament gegen Schizophrenie und manische Depression. Mim vertraut ihrem Vater, lernt ‚König Gewohnheit’ kennen und schluckt jeden Tag eine Pille.

Die Geschichte wird aus der Sicht der Protagonistin erzählt. Sie ist aufgebaut in einem Wechsel zwischen Erzählung und Briefform. Die fiktiven Briefe („Das Buch der Gründe“), die Mim während ihrer Reise schreibt, dienen dabei häufig als Rückblenden, die über das aktuelle Geschehen besser aufklären, es häufig aber auch erst im Nachhinein verständlich machen. Der Erzählstrang ist rundum geprägt von den Meinungen, die Mim über Menschen und Situationen hat, und lässt kaum einen Perspektivenwechsel zu. Trotzdem gelingt es dem Autor, Mims Sichtweisen durch Gespräche mit anderen zu verändern und so neue Blickwinkel in das Geschehen einfließen zu lassen.

Auf ihrer Reise beginnt Mim ‚König Gewohnheit’ zu hinterfragen, sucht nicht mehr nur die Antworten auf ihre Fragen. Im Verlauf der Geschichte findet Mim immer mehr zu sich selbst, zu dem, was sie wirklich ist und nicht zu dem, was ihr Vater ihr vorgaukelt zu sein. Sie hat nicht mehr nur das Ziel auf der Landkarte vor sich, sondern beginnt zu sich selbst zu stehen, sich selbst als völlig in Ordnung zu betrachten und erkennt, wer tatsächlich welche Rolle in ihrem Leben spielt.

David Arnold erzählt nicht nur von einem aufregenden Roadtrip, sondern gibt dem Leser die Chance, ein Teil der Reise zu werden. Mit jedem Umblättern könnte sich ein neuer Umweg, eine neue Abzweigung, ein neuer Erkenntnisgewinn auftun. Je überraschender und unvorhersehbarer manche Dinge passieren, desto lieber möchte man den Weg mit Mim gemeinsam gehen. Man möchte jede weitere Seite nehmen, um Antworten auf ihre Fragen zu finden und mitzuerleben, wie sie sich verändert und immer mehr erkennt, wie sie zu sich selbst steht.

Dem Autor ist mit „Auf und Davon“ ein Roadtrip-Abenteuer gelungen, das sich abhebt von anderen Werken dieses Genres. Mit Mim hat er eine Figur erschaffen, mit der sich zu identifizieren schwer fällt, die einen aber andererseits so lebendig mitnimmt, dass man trotzdem das Gefühl bekommt, ihre Gedanken nachvollziehen zu können. Teilweise ist das Buch etwas überladen an „Themen von Tiefe und Verzweiflung“, und man bekommt das Gefühl, dass jede neue Begegnung, die Mim macht, noch 'absurder' sein muss, als die zuvor. Wer Lust auf ein außergewöhnliches Abenteuer hat, ist mit Mim jedoch auf der sicheren Seite!

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