Markovic, Barbi: Superheldinnen
Schicksalsblitz, Auslöschung und der Plan des Aufstiegs in den Mittelstand
von Julia Angenendt, Lisa Fuß und Janina Lambers (2016)
„Keine von uns hatte jemals gelernt, ein normales, menschenwürdiges Leben zu führen. Überall waren wir von Mist und Misstrauen und Taubenscheiße umgeben.“
Die drei ‚Superheldinnen’ Mascha, Direktorka und die namenlose Ich-Erzählerin, enttäuscht vom Leben und „mit einem dehnbarem Gewissen“, aus Barbi Markovic postmodern anmutenden Roman „Superheldinnen“, treffen sich jeden Samstag im Café „Sette Fontane“ in Wien. Sie schreiben eine esoterische Sonntagskolumne „Astroblick“, die als Tarnung für ihre paranormalen Aktivitäten dient. Sie sind alle circa 33 Jahre alt und kennen sich nun schon seit mehr als zehn Jahren. An einem Samstag beschließen die Freundinnen mit einer gewagten Idee, ihr eigenes Schicksal in die Hand zu nehmen, um ihr unermüdliches Streben nach Wohlstand zu erfüllen. Nach erfolglosen Jahren in Belgrad, Sarajewo und Berlin träumten sie nur davon anzukommen, vorzugsweise im Mittelstand.
Die Ereignislosigkeit der Handlung sowie die Hilflosigkeit der drei ‚Superheldinnen‘ in ihrem unbedingten Willen, den Wohlstand zu erreichen, ziehen sich durch den ganzen Roman und sind mit einer permanent unterschwelligen postmodernen Ironie zu lesen. Ebenfalls postmodern erscheint nicht selten die Darstellungsebene: In einem helleren grau geschriebenen Textpassagen wie Werbeblöcke und Slogans, die die konsumorientierten Lösungen der Gegenwart wiederspiegeln, durchziehen die Erzählung. Man überliest sie leicht, nimmt sie nicht bewusst wahr, sie bleiben jedoch ständig präsent. Präsent ist ebenfalls die permanente Suche nach Halt und der eigenen Identität, was wiederum zentrale Motive des Adoleszenzromans sind.
Die Kräfte der ‚Superheldinnen’ beziehen sich auf den ‚Blitz des Schicksals’ und die ‚Auslöschung’, wodurch sie einmal wöchentlich in das Leben anderer Menschen eingreifen. Der ‚Blitz des Schicksals’ behandelt das Problem eines Menschen und versucht ihm zu besseren Lebensumständen zu verhelfen. Die ‚Auslöschung’ bedeutet nicht die totale Vernichtung, sondern versetzt den Problemträger, dessen Leben unerträglich ist, in andere Lebensumstände. Allerdings verfügen die drei Frauen nicht über die völlige Kontrolle ihrer Kräfte und versuchen stets, beide Interventionen gleichermaßen anzuwenden.
Die sozialen Netzwerke, Unzufriedenheit, eine unglückliche Generation sowie die Suche nach Individualität und Selbsterfüllung sind leitende Motive des Romans. Die gehetzte Menschheit, die Ausrichtung auf Konsum und der ‚neumodische Virus‘ der Einsamkeit bestimmen die Atmosphäre. Jedoch wird der LeserIn durch die ‚Kraft des Aufstehens‘ ein Hoffnungsschimmer gegeben: ,,Ein menschliches Geschöpf hockt mitunter monatelang und jahrelang in einer ungünstigen Lage und kommt nicht heraus. Dann aber genügt ein kleiner Schlag. Etwas, das die ganze Situation noch ein klein wenig ungünstiger macht. Dann gewinnt das Geschöpf an Kraft, steht auf und beginnt, die Dinge zu verändern.“ Durch einen Casinogewinn schaffen es die drei Frauen aufzustehen und ihren Wunsch nach Wohlstand sowie einem besseren Leben zu erfüllen. Die prekären Lebenssituationen, die die drei ‚Superheldinnen‘ in ihrer Freundschaft verbunden haben, sind von heute auf morgen verschwunden. Aufgrund neuer, dem Geldsegen verschuldeter Sorgen und Bedürfnisse verlieren die drei Frauen an Charakter und man sich fragt, ob sie wirklich glücklicher als vorher sind. „Die Haut auf Direktorkas Schulter schuppt sich, weil sie zu lange in der Sonne gelegen ist. Ich habe den Eindruck, dass eine von uns ein wenig nach Schweiß riecht. Ich hoffe, ich bin es nicht.“
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