Pendziwol, Jean E. (Text) und Isabelle Arsenault (Illustration): In einer weißen Winternacht
Als du in deinem Bett geschlafen hast… – Bilder einer weißen Winternacht
von Lilian Claus und Sophie Steinwartz (2016)
Der Schnee besitzt magische Kraft, mit der er die Welt in eine märchenhafte, schlafende Winterlandschaft verwandelt. Doch wer glaubt, deshalb gäbe es nichts zu entdecken, der irrt. Das harmonische Schweigen, das sich mit dem Schnee über jeden Zentimeter der Erde legt, wird für einen kurzen Augenblick durch die Tiere des Waldes bereichert. Leise und behutsam bevölkern sie das weiße Stillleben und dessen friedliche Atmosphäre. „In einer weißen Winternacht“ lässt uns an diesem zauberhaften Augenblick teilhaben und erlaubt es, etwas von der Magie und Ruhe eines winterlichen Waldes zu erleben: Gemeinsam mit einem kleinen Jungen tauchen wir in die Geschehnisse einer Winternacht ein. Wir sehen sanft einsetzenden Schneefall, das nächtliche Auftauchen der Waldtiere aus ihren Verstecken, den klaren Nachthimmel mit seinem Meer aus Sternen und den Nordlichtern sowie den Rahmen aus frostigen Eisblumen am Fenster. Durch die beruhigende Erzählweise werden sanfte Bilder erzeugt, die sich vor dem inneren Auge entfalten. Die Erzählinstanz übernimmt dabei die Rolle der KünstlerIn, die dem Jungen eine Gutenachtgeschichte aus winterlichen Bildern malt.
Inspiriert durch ihre kanadische Heimat begleitet uns die Autorin Jean E. Pendziwol in eine friedvolle Winterlandschaft, deren Anmut sich erst durch die mit ausdrucksstarken Bildern und liebevollen Vergleichen ausgeschmückte Sprache entfaltet: „Zuerst kam eine winzige Flocke, vollkommen und wunderschön und besonders so wie du.“ Der Text ist in Strophenform gehalten: In lyrischen Versen, wie in eine wärmende Decke eingehüllt, leiten die Worte durch die stille Winternacht. Der rhythmische und melodische Klang der Geschichte erinnert an ein Schlaflied, das uns durch die Verwendung des vertraulichen „Du“ unmittelbar in eine zauberhafte Welt entführt.
Die Künstlerin Isabelle Arsenault, die die Illustrationen gestaltete, hat sich ebenfalls von der kanadischen Landschaft beeinflussen lassen. Ihre Bilder stehen in direkter Verbindung zum Text und machen diesen visuell erfahrbar. Mit großer Sorgfalt und Feinheit zeichnet die Illustratorin winterliche Szenen, die durch einzelne farbige Akzente die zentralen Elemente des Textes aufgreifen und unseren Blick lenken. Die sonst überwiegend in Weiß-, Grau- und Schwarztönen gehaltenen Szenen haben in diesem Buch nicht die zu erwartende triste oder bedrückende Wirkung, sondern erzeugen eine Stimmung aus Ruhe und Geborgenheit. Durch die sparsame und dennoch wirkungsvolle Ausgestaltung wird das Auge nicht überfordert und konzentriert sich auf das Wesentliche.
„In einer weißen Winternacht“ ist ein wunderschönes Vorlesebuch, das durch seine Komposition aus in ruhigem Fluss gehaltener, lyrischer Sprache und großartigen, die Fantasie anregenden Illustrationen überzeugt. Dabei vermag es das Werk, die Magie einer Winternacht einzufangen und uns für eine Weile in eine friedliche weiße Welt zu versetzen. Das gemeinsame Eintauchen in die ‚weite, weiße Welt‘ wird dadurch sowohl für die primär adressierten Kinder als auch für die erwachsenen VorleserInnen zu einem besonderen Vergnügen.
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