Bach, Tamara: Vierzehn
Beh zwischen den Stühlen – heute bist du nochmal vierzehn
von Lisa Henneberg und Annika Schmidt (2016)
Es ist der erste Schultag nach den großen Ferien, den Tamara Bach in ihrem aktuellen Jugendbuch „vierzehn“ fokussiert. Sie schreibt über ein Mädchen, das alle nur Beh nennen, und das acht Wochen lang krank gewesen ist – das denken jedenfalls deren Freundinnen, die am liebsten über sich selbst sprechen und dringend von ihren eigenen Erlebnissen berichten müssen: „Jeanette macht das Es-geht-um-nen-Jungen-Gesicht. Dazu die Diesmal-ist-es-ernst-Augen.“ Doch dafür ist kein Platz in Behs Gedanken, denn viel wichtiger ist – und das weiß sonst niemand – Beh ist vorgestern geküsst worden.
Dass Beh ihren MitschülerInnen ein klein wenig voraus ist, sich nicht so sehr für das „Blahblah und Blahblah“ von „Emma eins und Emma zwei“ interessiert, wird durch die außergewöhnliche, in der Widmung gespiegelte Du-Perspektive deutlich unterstrichen: „Du überlegst. Du hast plötzlich eine Idee, und weißt nicht, ob das eine gute Idee ist. Dein Bauch weiß nicht, ob das eine gute Idee ist.“ Diese besondere Perspektive ist es, durch die uns die vielfach ausgezeichnete Jugendbuchautorin Tamara Bach mit in die Gedankenwelt einer Vierzehnjährigen nimmt, die sich mit all jenen Erwartungen auseinandersetzt, mit denen sich Adoleszente auseinandersetzen (müssen): Auf der einen Seite steht Behs Mutter (und der Vater?), die genauestens über den Tagesablauf ihres Kindes Bescheid wissen möchte. Auf der anderen Seite stehen Behs Freundinnen, die erwarten, dass sie zur Stelle ist, wenn es bei ihnen brennt. Und auch die Gesellschaft verlangt gewisse Dinge: Der perfekte Grad an Fröhlichkeit und Offenheit sowie ein gepflegtes Auftreten, das niemanden verärgert… Doch wie kann eine Vierzehnjährige all diesen Anforderungen gerecht werden? Und möchte Beh das überhaupt?
Durch die Wahl der erzählten Zeit von nur einem Tag, ist das Werk vergleichsweise handlungsarm – und dennoch inhaltlich sowie sprachlich anspruchsvoll. Die Darstellung erfolgt ebenso realistisch wie feinfühlig und wird verstärkt durch die von der Autorin mit großer Kunstfertigkeit entworfenen, oft knappen, teilweise elliptischen Sätze. Es entsteht ein mitreißender und involvierender Effekt: Man schaut nicht einer Ich-Erzählerin bei ihrer Handlung zu, sondern versetzt sich in die Geschehnisse herein. Und durch das bewusste Spiel mit Leerstellen regt Tamara Bach die Fantasie der LeserInnen an, zumal einige Geheimnisse bis zum Schluss nicht offengelegt werden: Wie lautet also der einzige Satz, der auf der Postkarte mit den Elefanten geschrieben steht, der Satz auf dieser Postkarte, die Beh „postkartenblind“ und rotwangig werden lässt und sie bei ihrem vollen Namen nennt?
Tamara Bach gelingt es in ihrem jüngsten Roman, die Lebenswelt einer Vierzehnjährigen, die sich von ihren Freundinnen immer mehr unterscheidet, authentisch widerzuspiegeln: Sie trifft Entscheidungen, und auch solche, von denen sie weiß, dass sie für diese von ihren Freundinnen keinen Zuspruch erntet. Aber das ist nicht mehr wichtig. Denn heute ist Beh wieder geküsst worden – von einem, mit dem sie zusammen ein bisschen still sein kann, wenn gerade nicht in Worte zu fassen ist, was geschieht.
„vierzehn“ ist ein Roman, der einen eigenen Sound hat und nachwirkt, weil die LeserIn sich am Ende der Erzählung fragen wird, was eigentlich mit Beh geschehen ist – und was mit ihr selbst noch alles geschehen wird. Und somit ist der mit 107 Seiten knappe Roman nicht nur für Jugendliche ein besonderes Leseerlebnis, sondern er ist auch empfehlenswert für Erwachsene, die ästhetischen Anspruch mit dem Zurückerinnern an Gefühle verbinden wollen, die sie in der Adoleszenz einmal sehr geprägt haben.
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