Duda, Christian (Text) und Julia Friese (Illustration): Elke. Ein schmales Buch über die Wirkung von Kuchen
Das wirklich Wichtige
von Ida Höfel und Lena Peckedrath (2016)
Kasimir und Elke treffen sich jeden Morgen im Café von Uwe, frühstücken gemeinsam, reden, tauschen sich aus und beginnen so den Tag. Als Elke aber krank wird und auf einmal verschwindet, weiß keiner ihrer Freunde, wo sie sich befindet.
Mit der plötzlichen Begegnung von Kasimir und Elke verändert sich schlagartig alles in der einsamen, eher anonymen Berliner Lubitschstraße: Es entstehen außergewöhnliche Freundschaften. Das Café auf der Straße ist nun nicht mehr für seinen teuren Kaffee, sondern vielmehr für seine Geselligkeit bekannt. Und sogar der mürrische Cafébesitzer entwickelt fürsorgliche Gefühle. All dies ist zurückzuführen auf die gemeinsame Vorliebe für Kuchen. Kuchen, den Elke mit Freude backt, jedoch selber gar nicht mag, Kasimir aber umso lieber.
Der Titel von Christian Dudas Buch trägt den Namen „Elke“. Elke, eine erwachsene, „fette“ Frau, lebt in der Lubitschstraße und arbeitet in einer Wohngruppe. Obwohl Elke äußerlich nicht zu übersehen ist, zeugt ihr Charakter von Bescheidenheit. Ihre eigenen Bedürfnisse und ihre Gesundheit stellt sie zurück und ist bemüht, dass es ihren Mitmenschen gut geht. Doch viel mehr erfährt der Leser über Elke nicht. Keiner kennt ihren Nachnamen, keiner hat sie je in ihrer Wohnung besucht und niemand weiß über ihren eigentlichen gesundheitlichen Zustand Bescheid.
Kuchen, besonders mit Zitronenglasur, ist die Leibspeise von Kasimir, einem kleinen, neugierigen, fünfjährigen Jungen. Er lebt mit seinem Vater ebenfalls in der Lubitschstraße und besucht den Kindergarten, zu dem er jeden Morgen alleine geht. Nicht nur daran erkennt man, dass Kasimir für sein Alter schon sehr selbstständig ist, auch ist er in anderen Angelegenheiten seinem Vater voraus. Kasimir bezaubert mit seiner kindlichen, ehrlich unvoreingenommenen Art.
Zwischen solch verschiedenen Figuren, dem aufgeweckten fünfjährigen Jungen und der erwachsenen, unscheinbaren Frau, entsteht besagte ungewöhnliche Freundschaft: Auf dem Weg in den Kindergarten erblickt Kasimir ein riesiges Kuchenblech und fordert Elke, die das Blech trägt, auf, ihm doch ein Stück abzugeben. Fortan treffen sie sich jeden Morgen im Café, für das Elke einen russischen Zupfkuchen backt. Zu Anfang ist Uwe, der trotzige Cafébesitzer, gegenüber Kasimir eher skeptisch und distanziert, ständig tauscht er neckische Wortgefechte mit Kasimir aus, der gekonnt reagiert. Doch lernt Uwe die Anwesenheit des Jungen zu schätzen und besteht am Ende sogar darauf, Kasimir einen Schultornister zu kaufen. Die Freundschaft von Elke und Kasimir zieht immer größere Kreise: Sie gehen unbewusst als Vorbild voran, offener gegenüber anderen Menschen zu sein. Im Café begegnen sich immer mehr Besucher und dabei tritt Elke unbemerkt in den Hintergrund. Schließlich feiern die Anwohner der Lubitschstraße sogar ein Fest, der Höhepunkt der „Straßengeschichte“. Während all dies geschieht, verschlechtert sich der körperliche Zustand von Elke immer mehr und niemand ihrer Freunde erfährt davon.
Die Handlung wird eingerahmt von einer kurzen Beschreibung Elkes sowie einem fiktiven Nachwort. Die ersten Seiten beginnen mit den einleitenden Worten „Viel lässt sich nicht von Elke erzählen“. Doch die folgenden 100 Seiten handeln von Elke und ihrem Leben, zu Recht trägt das Buch also den Titel „Elke. Ein schmales Buch über die Wirkung von Kuchen“. Elke ist das Verbindungsstück aller entstehenden Freundschaften, wie die Zündschnur an einer Rakete, sie führt Menschen zusammen. Die Behauptung, es gebe nichts über Elke zu erzählen, entspringt ihrer selbstlosen Art: Sie setzt sich für Andere ein, sich selber aber nie in den Fokus. Das fiktive Nachwort am Ende der Erzählung soll den Übergang zur Lebenswelt der Leser schaffen: „Elke hat wirklich gelebt [, …] alle anderen Namen sind erfunden, na ja, fast alle, der Großteil der Geschichte ebeneso.“ Wir alle kennen eine Elke.
Der Autor spielt in seinem Werk mit verschiedenen Stereotypen und erweckt mit solch offensichtlichen Vorurteilen den Anschein von Normalität und Allgemeingültigkeit: Wir alle könnten gemeint sein. Selbst bei dem Aufbau des Buches spielt Duda mit der scheinbaren ‚Alles wird gut‘-Konvention des Kinderbuches: Zu Beginn des Buches wird direkt klargestellt, dass Elke tot ist. Christian Duda untermalt seine Handlungen allerdings stets mit Situationskomik, indem viele Geschehnisse durch die Sicht eines kleinen Jungen geschildert werden, wodurch der Leser häufig zu einem Schmunzeln verleitet wird. Kasimir überzeugt mit seiner niedlichen Art und verleiht dem Buch eine unbeschwerte Ader.
Am Ende des Buches ist das Rezept des russischen Zupfkuchens beigefügt. Im letzten Zubereitungsschritt wird der Leser aufgefordert, das Kuchenblech auf die Straße zu tragen. Jeder von uns wird dazu aufgerufen, jegliche Vorurteile beiseite zu schieben, und offen für neue Begegnungen und Freundschaften zu sein.