Zaeri, Mehrhad und Christina Laube: Aschenputtel
„Die Guten in’s Töpfchen, die Schlechten in’s Kröpfchen“
von Alisa Franke, Hanna Freihals und Nadine Prangenberg (2016)
Wer an das Märchen „Aschenputtel“ denkt, erinnert sich bestimmt schnell an dieses Zitat. Und dennoch taucht es nicht im gleichnamigen Buch von Mehrdad Zaeri und Christina Laube auf. Zaeri und Laube spielen in ihrem Werk gekonnt mit den Kindheitserinnerungen der LeserInnen.
Der Illustrator und die Textbearbeiterin setzen das Märchen ganz neu um: Die Rahmenhandlung bleibt zwar grundlegend gleich, jedoch sind einige Elemente verändert worden. Laube passt die Sprache der heutigen Zeit an und macht sie so für Kinder leichter verständlich. Außerdem gibt es Differenzen auf inhaltlicher Ebene. Beispielweise findet nur an einem Abend ein Ball statt, anstelle von Dreien, wie es in der wohl bekanntesten Variation des Märchens nach den Gebrüdern Grimm der Fall ist. Demzufolge hat Aschenputtel auch nur ein Kleid, welches sie nicht wie herkömmlich von Tauben bekommt, sondern von nicht weiter spezifizierten Vögeln. Außerdem ist es Aschenputtel selbst, die emanzipiert den ersten Schritt macht und den Prinzen zum Tanz auffordert, in Grimms Version ist das noch umgekehrt.
Dies sind zwei von mehreren Abweichungen, aber der Plot bleibt gleich. Der für ein Märchen typische Aufbau wird beibehalten, so beginnt der Text mit „Es war einmal“, was jedoch in der Grimmsschen Fassung nicht der Fall ist. Nachdem Aschenputtels Mutter verstorben ist, heiratet ihr Vater erneut. Aschenputtels Stiefmutter bringt zwei Töchter mit in die Ehe, die Aschenputtel von nun an schikanieren und zu ihrer Dienerin machen. Ihre Stiefmutter verwehrt ihr auch den Besuch eines königlichen Balls, indem sie ihr immer neue Dienste aufträgt. Doch die Vögel, die im Baum auf dem Grab der Mutter leben, helfen ihr und geben ihr ein Kleid sowie ein Paar Schuhe für den Ball. Aschenputtel tanzt die ganze Nacht mit dem Prinzen. Auf ihrem Heimweg verliert sie einen ihrer Schuhe, welchen der Prinz findet. Der Prinz reist daraufhin auf der Suche nach der Frau, der der Schuh passt, durch das Land. Schließlich findet er Aschenputtel wieder und nimmt sie zur Frau.
So düster wie das Märchen beginnt, erscheinen auch auf den ersten Blick Zaeris Illustrationen. Die dominierenden, sich im Wechselspiel befindenden Farben sind Schwarz und melierter Sand. Die einzige sonstige Farbergänzung ist ein dezent eingesetztes Ocker, welches nur in Verbindung mit Aschenputtel auftritt. Bei genauerer Betrachtung jedoch löst sich der erste Eindruck durch die zahlreich vorhandenen, filigranen Details auf. Hierbei wechseln sich großflächig gefüllte Seiten mit solchen ab, auf denen sich teilweise nur ein einziger kleiner Gegenstand befindet. Gefüllt werden die Einheiten, die jeweils aus einer zusammenhängenden Doppelseite bestehen, durch sehr verschiedene Zeichnungen. Zaeri verbindet die Möglichkeiten der modernen Technik mit denen der klassischen Illustration, indem er Umrisszeichnungen, Drucke und an Scherenschnitt erinnernde Stanzungen benutzt. Er erschafft einen neuen Zugang zu dem Märchen, der den LeserInnen Raum für Interpretationen lässt. Genau wie Laube den Text in heutiger Sprache bearbeitet, entsprechend modern gestaltet sich auch Zaeris Bilderwahl, z.B. fährt Aschenputtels Vater mit einem Auto auf Reisen.
Aufgrund der für ein Kinderbuch außergewöhnlichen Illustrationen ist die Altersempfehlung ab sechs Jahren individuell zu betrachten. Doch genau diese außergewöhnlichen Illustrationen machen dieses Buch auch für erwachsene LeserInnen ansprechend.
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