Leseprobe „Nur Meer und Himmel. Die Geschichte meines Großvaters“
Ich erinnere mich, wie ich mich jedes Mal mit aller Macht aufzuwecken versuchte, um nicht den Rest ertragen zu müssen. Doch ich wusste, dass der Rest folgen würde, egal wie sehr ich versuchte zu entkommen – ich wusste, dass mich mein Albtraum nicht loslassen, mir nicht erlauben würde, aufzuwachen, ehe die ganze schaurige Geschichte abgespult war. Ich sah ein großes Schiff auf dem Meer, das in Flammen stand. Da waren brennende Männer, die von Bord sprangen, als das Schiff unterging, sie schwammen im Meer, das um sie herum loderte und kochte. Ich sah, wie Großvater auf ein Rettungsboot zuschwamm, doch das Boot war voller Matrosen; es gab keinen Platz für Großvater. Er flehte, ihn ins Boot zu lassen, doch sie ließen ihn nicht. Hinter ihm hob sich der Schiffsbug aus dem Meer, und das Monster stöhnte wie ein verwundetes Tier im Todeskampf. Dann versank es, glitt langsam unter die Wellen und stieß unter Todesqualen die letzten Dampfwolken aus. Eine Stille legte sich über das brennende Meer. Großvater klammerte sich jetzt an das Rettungsboot, die Arme hatte er über die Bootskante gehakt. Erst da merkte ich, dass ich mit den Matrosen im Rettungsboot war. Er sah mich zu ihm herabschauen und streckte die Hand aus. Es war eine Hand ohne Finger. (S. 5-6)