Leseprobe „Lang soll sie leben“
"Sie betritt den Bahnübergang, und im selben Augenblick fangen die Schranken zu klingen an, als ob sie auf einen unsichtbaren Schalter getreten wäre, der die Schranken und Blinklichter in Gang gesetzt hat. Das passiert ihr natürlich nicht zum ersten Mal, auch wenn sie sich an keine ähnliche Situation erinnern kann. Fest steht, dass sie dann getan hätte, was alle in dieser Situation tun würden. Sie würde sich erschrecken und denken: Da kommt gleich ein Zug, ich muss sehen, dass ich hier wegkomme. Sie wäre entweder zurückgegangen oder schnell weitergelaufen.
Aber heute nicht; heute ist es, als ob es so sein soll, dass in dem Moment, in dem sie den Bahnübergang überqueren will, ein Zug ankommt. Und deswegen bleibt sie stehen, mitten auf den Schienen, in der schützenden Umarmung der Schranken."