Leseprobe „Ringel Rangel Rosen“
In ihrem Zimmer wirft Karin sich aufs Bett. Auf dem Kopfkissen liegt noch das Buch, eigentlich sollte sie es ja an Regina weitergeben. Aber sie musste immer noch mal darin lesen, so traurig ist es, und dann hat sie sich hinterher vorgestellt, wie sie all die Menschen gerettet hätte. Warum haben das eigentlich die anderen Leute nicht getan, die damals gelebt haben? Es gab doch auch andere Menschen damals, normale, alle waren ja keine Juden. Die haben doch gewusst, dass ihre Nachbarn umgebracht werden, wenn sie ihnen nicht helfen. Da sind die doch mit schuld! Wenn man weiß, dass so was passiert, da muss man doch was tun! Warum haben die denn die Juden nicht versteckt, so wie sie es getan hätte? Feiglinge. Alles Feiglinge. Und dann weiß sie plötzlich, wer all die anderen Menschen damals waren. [...] Von den Erwachsenen alle, die mindestens dreißig sind. Die waren damals sogar schon älter als sie. Karin starrt auf ihre Bettdecke. Hat es kein Einziger von denen versucht? Keiner von all den Leuten in der Siedlung? Keiner von denen, die sie kennt? Und Mutti? Und Vati? (S. 59/ 60)