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Gehrmann, Katja:
Gans der Bär
Hamburg: Carlsen 2009
40 Seiten
€ 14,90
Ab 4 Jahren
Bilderbuch

Gehrmann, Katja: Gans der Bär

Schnabelbären gibt es doch!

von Anika Dürhager und Stephanie Pahn (2010)

Ein elternloses Gänslein, ein überforderter Bär und ein penetranter Fuchs: Dies sind die Charaktere in Katja Gehrmanns neuem Bilderbuch „Gans der Bär“.

Der Bär entdeckt an einem ganz gewöhnlichen Tag ein ganz ungewöhnliches weißes, ovales Etwas. Neugierig hebt er das seltsame Ding mit seinen großen Pranken auf und bemerkt dabei weder das Klopfen, noch das Zerspringen der Schale. „Mama!“, piepst ein kleines Schnabelwesen. Der Bär ist schockiert und verwirrt zugleich. Wie kann so ein seltsames gefiedertes Wesen ihn nur für seine Mutter halten? Der frischgebackene „Mama-“Bär fühlt sich mit der Situation überfordert und bestimmt: „Du wartest hier, bis deine Mutter kommt“. Doch schon bald gerät der im Grunde gutmütige Bär ins Grübeln: Hatte er früher vielleicht auch mal einen Schnabel gehabt? War auch er aus einem Ei geschlüpft? Lange Zeit bleibt dem Bären jedoch nicht, um über diesen Gedanken zu brüten, denn schon bald steht das beharrliche Etwas wieder neben ihm.

Der mittlerweile genervte Bär beschließt: „Ich muss ihm zeigen, was ein richtiger Bär ist, so kommen wir nicht weiter.“ Stolz demonstriert er seine Bärenfähigkeiten. Das quirlige Küken kämpft um die mütterliche Anerkennung des behäbigen Bären und beweist ihm, dass es sehr wohl auch Schnabelbären gibt. Das Küken übertrifft sogar die ‚mütterlichen’ Erwartungen, indem es den durchtriebenen Fuchs außer Gefecht setzt. Doch ganz gefahrlos verläuft der Wettbewerb nicht, denn das Gänsekind droht zu ertrinken und weckt dabei in dem Bären sogar zum ersten Mal mütterliche Gefühle.

Katja Gehrmann wurde 2008 für ihr Werk „Gans der Bär“ mit dem 4. Troisdorfer Bilderbuchstipendium ausgezeichnet. In ihren Bildern verbindet sie ganz fabelhaft einen malerischen mit einem zeichnerischen Stil. Durch Konturen schafft sie einen klaren Bildaufbau. Die Bildfläche wird von ihr durchweg expressionistisch gestaltet. Hierbei dominieren leuchtend-freundliche Pastelltöne, welche die Leichtigkeit des Buches unterstreichen und die Bilder herbstlich wirken lassen.

Die Komposition des Bildaufbaus unterstützt das Zusammenspiel von Bild und Text. So findet man häufig im Aufbau der Bilder ein dynamisches Zentrum, und nie greift der Text in das Bild ein. An manchen Stellen findet sich kaum Text. Hier schafft es die Künstlerin durch ihre farbenfrohen, zum längeren Verweilen einladenden Bilder, die Geschichte weiterzuerzählen. Die Aussagekraft der Bilder ist so stark, dass schon jüngere Kinder die Geschichte ohne nochmaliges Vorlesen erfassen können.

Durch immer wiederkehrende Motive weist Gehrmann auf die Verletzlichkeit der hier liebevoll dargestellten Natur und heilen Welt hin. So taucht in den Bildern immer wieder ein Holzfäller auf, und von dem Fuchs droht durchgehend Gefahr. Zwar bleibt er passiv im Hintergrund, doch lauert er dem Gänsekind immerzu auf.

Katja Gehrmann wirft in ihrem Bilderbuch einen humorvollen Blick auf die instinktive Prägung und feste Mutterbindung, wie sie Konrad Lorenz an Gänsen erforscht hat. Aber auch für Kinder wichtige Themen wie Gemeinsamkeiten und Unterschiede, Gut und Böse, Verantwortung und die Angst vor ihr werden lebendig und einfühlsam dargestellt. Gehrmann zeigt geheimnisvoll und herzlich, wie sich etwas hinterfragen lässt – und dass es manchmal vielleicht nicht nur die eine Wahrheit gibt. Und so kann letztendlich auch das kleine Gänsekind beweisen, dass es doch eigentlich ‚ganz der Bär’ ist.

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