Priestley, Chris (Text) und David Roberts (Illustration): Onkel Montagues Schauergeschichten
Im Haus des kalten Grauens
von Carolin Gottstein und Anna Netsch (2010)
Dämonen, Hexen, Geister – jeder hat schon einmal eine Gruselgeschichte gehört. Doch wenn Onkel Montague erzählt, wird es besonders schaurig...
Edgar ist Einzelkind, und seine Eltern wissen nicht viel mit ihm anzufangen. Die Ferien wären das Langweiligste auf der Welt, wohnte nicht Onkel Montague in der Nähe. Edgars nicht zu stillende Gier nach Geschichten führt ihn immer wieder zu dem alten Herrn, obwohl schon der Weg zu dessen Haus furchterregend ist. Der Pfad durch den Wald erscheint Edgar unendlich lang, und es herrscht eine merkwürdig kühle Atmosphäre. Ständig hat er das Gefühl verfolgt zu werden. In Onkel Montagues Haus ist es nicht besser: Die Temperatur scheint kälter als draußen, und auf dem Weg in Onkel Montagues Arbeitszimmer erscheinen groteske Schatten an den Wänden, und unheimliche Geräusche ertönen im ganzen Haus.
Onkel Montague versteht es, Edgar stundenlang mit seinen morbiden Schauergeschichten den Atem zu rauben. Nicht nur die Geschichten erwecken die Neugier des Jungen, sondern auch die Tatsache, dass der Onkel zu jeder Geschichte einen Gegenstand in seinem Arbeitszimmer aufbewahrt. Edgar erscheint dies sehr seltsam, lässt sich davon aber nicht beeindrucken – schließlich können diese Gruselgeschichten, die sein Onkel erzählt, doch gar nicht wahr sein. Onkel Montague jedoch behauptet, alles sei genau so passiert.
Chris Priestley, der Cambridger Spezialist für „Tales of Terror“, schafft mit Onkel Montague ein großes Rätsel, das der Leser unbedingt lösen möchte. Bis zum Ende bleibt ungewiss, wie die einzelnen Geschichten mit dem Leben des Onkels zusammenhängen. Je weiter man in die Erzählung vordringt, desto mehr lassen versteckte Andeutungen über Onkel Montague erahnen, was es mit ihm auf sich hat.
Priestley ist es gelungen, eine spannende Rahmenhandlung zu schaffen, die erst durch das Zusammenfügen einzelner Requisiten zum Ganzen wird. Diese wird aus Edgars Sicht erzählt, und so bekommt der Leser einen Einblick in die zweifelnden Gedankengänge des Jungen und in dessen Eindrücke von Onkel und Umgebung. Die detaillierten Beschreibungen sowohl des Hauses als auch der Gegenstände erzeugen eine düster-gruselige Stimmung. Noch grauenhafter wird die Atmosphäre allerdings durch die Geschichten des Onkels, die der Tradition romantischer Schauergeschichten folgen. In seinen Erzählungen, die sich bereits durch ihren unterkühlten Ton deutlich von dem Erzählbericht des Jungen unterscheiden, treiben düstere Gestalten aus der Schattenwelt ihr Unwesen mit meist ungehorsamen Kindern, die etwa in Edgars Alter sind. Besessenheit, Verwandlungen und Tod sind nur einige der Schicksale, die den Kindern widerfahren.
David Roberts’ schwarz-weiß gehaltene Federzeichnungen spiegeln die düstere, unheimliche Stimmung sehr gut wider. Es finden sich zu jedem Kapitel zwei Bilder: ein kleines in der Überschrift und ein großes innerhalb der Geschichte. Auch der Einband ist mit Zeichnungen von David Roberts gestaltet und führt den Leser direkt auf den Weg in Onkel Montagues Welt.
Onkel Montagues Schauergeschichten sind für Kinder im Alter ab elf Jahren zu empfehlen, die gruselige Geschichten lieben und sich nicht all zu schnell fürchten. Gänsehautfeeling und Gefühle des Unbehagens sind garantiert.