Green, John: Margos Spuren
Sage mir, wohin du gehst, und lass mich finden, wer du bist!
von Anne Popanda (2010)
Der achtzehnjährige Quentin steht kurz vor seinem Highschool-Abschluss. Er ist ein „verdammt ausgeglichener Junge“, der gute Noten schreibt, die Routine liebt und sich gerne mit seinen beiden besten Freunden Ben und Radar mit Computerspielen die Zeit vertreibt. Sein Leben unterscheidet sich kaum von dem eines amerikanischen Durchschnitts-Teenagers, bis eines Nachts das außergewöhnliche Mädchen von nebenan, Margo Roth Spiegelmann, an seinem Fenster erscheint, um Quentin zu ihrem Komplizen für eine nächtliche Racheaktion zu machen.
Als Kinder hatten die beiden oft zusammen im Park gespielt, doch seitdem ist eine lange Zeit vergangen, und Quentin ist selbst überrascht, als er sich kurze Zeit später hinter dem Steuer wiederfindet und Margos verwirrenden Anweisungen folgt. Vielleicht lässt der sonst weniger spontane „Q“ sich auf die nächtliche Aktion ein, weil er das unerreichbar scheinende Mädchen schon lange heimlich anhimmelt. Vielleicht aber auch einfach, weil es sich um Margo Roth Spiegelmann handelt, „deren Geschichten über ihre heldenhaften Abenteuer durch die Schule fegten wie ein Sommersturm“. Er hätte sich jedoch nie träumen lassen, dass dies die aufregendste Nacht seines bisherigen Lebens werden würde.
Doch Quentins ganz persönliches Abenteuer beginnt erst am nächsten Tag, als Margo plötzlich verschwunden ist. Zunächst wundert er sich nicht, denn es ist nicht das erste Mal, dass das Mädchen für eine paar Tage Reißaus nimmt. Doch mit der Zeit begreift der Junge, dass es diesmal anders ist, dass Margo nicht einfach so zurückkommen wird. Doch kann er Margos Verschwinden nicht akzeptieren. Nicht nach ihrem nervenaufreibenden Abenteuer. Nicht nach all dem, was er in diesen gemeinsamen Stunden von dem Mädchen und über sie erfahren hat. Zudem hat Margo Andeutungen gemacht, die ihn befürchten lassen, sie könne sich etwas angetan haben.
So beschließt Quentin, Margo zu finden. Angeleitet durch geheimnisvolle Spuren und Hinweise, die Margo hinterlassen hat, begibt er sich auf eine lange Suche. Eine Suche, bei der es weitaus mehr zu entdecken gibt als den Aufenthaltsort des Mädchens – einen Ort, der gar nicht existiert, der sich bloß als Eintrag auf Landkarten findet.
Aus der Sicht des Protagonisten erzählt der Autor John Green eine Initiationsgeschichte, bei der der junge Quentin auf immer neue Fragen stößt. Um Margo zu finden, muss er ihre Hinweise richtig deuten. Aber sind diese überhaupt für ihn bestimmt? Was geht in Margo vor? Wer ist sie wirklich, und was ist nur Fassade? Beim Beantworten dieser Fragen lernt Quentin nicht nur das mysteriöse Nachbarsmädchen, sondern auch sich selbst immer besser kennen.
Das Setting und die Thematik dürften den Leser an John Greens 2007 erschienenen Debütroman „Eine wie Alaska“ erinnern. Auch, dass in vielen Nebenhandlungen Themen wie Abschlussball, Freundschaft, das erste Mal und Cliquenbildung in der Highschool behandelt werden, ist aus „Eine wie Alaska“ wohlbekannt. Sie verleihen dem Roman einen typisch amerikanischen Touch und stellen zudem eine Verbindung zu dem Alltag vieler Jugendlicher her.
Leider reicht Greens neuer Roman literarisch nicht wirklich an sein Debüt heran. Ihm fehlt dessen Tiefgang, aber auch dessen mitreißende Spannung, und die Geschichte wirkt an etlichen Stellen doch arg konstruiert. Durch diverse Nebenhandlungen wie auch durch Komponenten, die für Augenblicksspannung sorgen, gewinnt der Roman stellenweise an überraschender Länge. Auch der eigentliche Gegenstand, die durch ein außergewöhnliches Mädchen inspirierte Weiterentwicklung bzw. Ich-Werdung eines etwas spät entwickelten Heranwachsenden, gerät hierdurch mitunter in den Hintergrund.
Neue, lebhaft dargestellte Figuren sowie immer wieder aufkommende Fragestellungen zu Themen wie Zwischenmenschlichkeit, Empathie oder Gesellschaft sind jedoch auf der Habenseite zu verbuchen und können bei der Lektüre einer rätselhaften Geschichte neue Denkanstöße liefern.
So führen Margos Spuren den Leser möglicherweise nicht nur zu einem fiktiven Ort.