Ardagh, Philip: Geschichten aus Bad Dreckskaff - Herr Urxl und das Glitzerdings
Skurriles aus Bad Dreckskaff
von Laura Mörsch (2010)
Herr Urxl ist außergewöhnlich ekelig. Sein Haar ist fettig, ihm sprießen Triebe aus den Ohren, sein Atem stinkt bestialisch, und sein Kopf sieht einer vergammelten Kartoffel zum Verwechseln ähnlich – ein ebenso reizvolles wie spaßiges Sujet für eine Nonsense-Erzählung für Kinder, die ihre Freude an derart Unappetitlichem haben.
Eines Tages steht Herr Urxl mit anderen Bewohnern von Bad Dreckskaff in einer Schlange, um den Dorftrottel zu betrachten. Dabei rülpst er so laut und stinkend, dass die Leute um ihn herum nach Luft japsend umfallen. Dieser Rülps-Vorfall bringt das Fass zum Überlaufen, und die Dorfbewohner beschließen, dass es so mit Herrn Urxl nicht weitergehen kann. Sie vereinbaren eine Regel, nach der die Bad Dreckskaffer sich hin und wieder die Ohren reinigen, die Haare mindestens ein Mal im Monat mit Shampoo und mit Haarkonditionsschnellkurspülung waschen und einmal im Leben die Zähne putzen müssen. Also muss der dreckige und stinkige Herr Urxl aus einem Dorf verschwinden, das den Dreck im Namen trägt. Yvonne, die „Enteneinsammlerin“, bekommt die undankbare Aufgabe, Herrn Urxl diese Nachricht mitzuteilen.
Bei ihrer abendlichen Arbeit im Entenhaus werden sie und ihr Freund Mango von einem lauten Knall aufgeschreckt. Der Kronleuchter im ehemaligen Ballsaal ist von der Decke gefallen und liegt zerbrochen auf dem Boden. Unter den herabgestürzten „Glitzerdingsen“ entdecken die beiden einen riesigen Diamanten. Plötzlich verrät eine kräftige Duftwolke einen bisher unbemerkten Gast... Yvonne und Mango kommen mit Herrn Urxl ins Gespräch und erfahren ein paar äußerst interessante Dinge über das „Glitzerdings“. Leider müssen sie auch noch die Ausweisungsbotschaft der Gemeinde überbringen, und darüber ist Herr Urxl sehr traurig, weil er gerne in Bad Dreckskaff lebt. Am nächsten Tag erfahren Yvonne und Mango von ihm den Grund für seinen miefigen Zustand. Durch ein waghalsiges Rettungsmanöver erledigen sich die Probleme zum Schuss fast wie von selbst.
Wie häufig in Nonsense-Geschichten, ist der Plot der Erzählung nebenrangig. Philip Ardagh, auch dem deutschen Publikum durch seine erfolgreiche und preisgekrönte Eddie-Trilogie bekannt, nutzt die Erzählhandlung gleichsam nur als Gerüst, um darauf seine diversen Einfälle abzuladen. Er packt seine im Plauderton vorgetragene Geschichte um Bad Dreckskaff und Herrn Urxl voll mit aberwitzigen Situationen, unglaublichen Begebenheiten, grotesken Skurrilitäten und absurden Albernheiten, die jeden Sinn verweigern, und zündet Stufe um Stufe das ganze Arsenal der Gattung: Wortspiele, Lautnachahmungen, paradoxe Behauptungen, leere oder an den Haaren herbeigezogene Vergleiche, Sprachspiele und Verbindungen völlig heterogener Elemente. Immer wieder wird die Leseerwartung unterlaufen, und nicht selten hält der Erzähler seinen Leser zum Narren. Man kennt dies bereits aus Ardaghs Eddie-Trilogie, allerdings erreichen die „Geschichten aus Bad Dreckskaff“ nicht deren literarisches Niveau. Der Schreibstil – übersetzt hat wieder Harry Rowohlt, dem wir auch die Eindeutschung einer anderen neuen Nonsensegeschichte verdanken (Andy Stantons „Sie sind ein schlechter Mensch, Mr Gum!“) – wirkt bisweilen doch zu spontan und stellenweise gar etwas holprig. Vom Vorleser werden gewisse Kompetenzen verlangt wie z.B. die, Kommentare und Witze des Autors angemessen zu übermitteln. Manche Scherze sind für den deutschen Leser nicht immer so leicht nachvollziehbar – der typisch englische Humor ist vielleicht auch nicht jedermanns Sache. So sind etwa die lustig gemeinten Abwandlungen von Yvonnes Namen – Yvonne (genannt Ywonne), Yvönnchen (geschenkt!), Yvönnchen (die aber geringfügig anders genannt wird), Yvönnchen (zum letzten Mal: genannt Ywönnchen! Ist das denn so schwer?) – mehr nervig als wirklich komisch.
An manchen Stellen macht sich Ardagh über Muster kinderliterarischen Erzählens lustig. So persifliert er die Belehrungssucht und das political-correctness-Gehabe mancher Kinderbücher durch die vordergründige Botschaft, dass man Menschen nicht aufgrund ihres unappetitlichen Äußeren und ihres fürchterlichen Geruchs verurteilen solle, und sein Erzählmuster parodiert das der guten alten Umkehr- und Bekehrungsgeschichte. Auch das Bestreben vieler Verfasser, die Distanz zwischen dem Autor/ Erzähler und dem Leser zu verringern, nimmt Autor „Rauschebart“ Ardagh aufs Korn und verkehrt es in sein Gegenteil. So wendet er sich auf Seite 16 an seine Leser: „Was für ein aufregendes Leben du führen musst. Schreib mir doch bitte bei Gelegenheit mehr darüber. (Wenn ich es recht bedenke: LASS ES. Ich möchte nicht, dass du mir schreibst. Und schon gar nicht bei Gelegenheit. Wenn du mir doch schreiben solltest, werde ich deinen Brief verächtlich betrachten, so verächtlich wie ein wertloses Stück Käse, und auf einem Stapel mit dem Vermerk IGNORIEREN UND HOFFEN, DASS ES EHER FRÜHER ALS SPÄTER VON ALLEINE WIEDER WEGGEHT ablegen.)“. Ob diese Einlage in ihrer ironischen Wendung vom kindlichen Leser verstanden wird, ist wohl eher zu bezweifeln.
Christian Moser hat schwarz-weiße, nicht selten groteske Witzzeichnungen beigesteuert, in denen komische Momente festgehalten werden und die den Figuren bei aller Stereotypik durch ausdrucksstarke Gesichter und abwechslungsreiche Mimiken Züge von Individualität verleihen. Sie tragen dazu bei, die „Geschichten aus Bad Dreckskaff“ zu einem eigentümlichen Kinderbuch zu machen, ein Kinderbuch mit typisch englischem Humor.