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Walliams, David (Text) und Quentin Blake (Ill.):
Gestatten, Mr. Stink
Aus dem Englischen von Dorothee Haentjes
Berlin: Aufbau 2011
232 Seiten
€ 14,99
Ab 8 Jahren
Illustriertes Kinderbuch

Walliams, David (Text) und Quentin Blake  (Illustration): Gestatten, Mr. Stink

Eine Stink-Bombe schlägt ein

von Anna Lena Bätcke (2011)

Wer ist Mr Stink?
Diese Frage stellt sich die zwölfjährige Chloe jeden Tag, wenn sie auf dem Weg zur Schule an Mr Stink vorbeifährt. Gut, er lebt mit seinem Hund auf einer Parkbank und riecht, wie sein Name schon sagt, bestialisch. Aber wo hat er vorher gewohnt? Was war sein Beruf? Wieso ist er auf der Parkbank gelandet? Und ist er wirklich eine von diesen „Gestalten“, mit denen Chloe laut ihrer Mutter besser nicht reden sollte? Chloe findet das nicht. Sie findet Mr Stink interessant und nimmt ihren ganzen Mut zusammen, um ihn anzusprechen.

„Gestatten, Mr Stink“ ist das zweite Kinderbuch des britischen Schauspielers und Comedian David Walliams. Unterstützt durch die Zeichnungen des bekannten englischen Illustrators und Kinderbuchautors Quentin Blake erzählt Walliams kurzweilig, witzig und dennoch mit viel Feingefühl die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft.

Chloe lebt mit ihrer Familie in einer Kleinstadt in England. Ihre Mutter ist mit ihrer eigenen politischen Karriere und Chloes kleiner Schwester beschäftigt. Chloes Vater arbeitet in einer Autofabrik und hat in der Familie nicht viel zu sagen. Mit ihrer kleinen Schwester versteht sich Chloe nicht und auch auf der teuren Privatschule hat sie keine Freunde. Das Alleinsein betäubt sie mit viel Fantasie und Schokolade, bis sie sich traut, Mr Stink anzusprechen. Er ist so anders zu Chloe als alle anderen und auch Chloe ist anders zu Mr Stink, als alle anderen Menschen um ihn herum. So entwickelt sich eine Freundschaft, die ein großes Chaos verursacht.

Chloe scheint zunächst ziemlich verlassen. Etwas übergewichtig und ohne einen Verbündeten schlägt sie sich durchs Leben. Die Schilderungen ihrer Gedanken und Gefühle bieten viel Raum zur Identifikation. Und Mr Stink? Sein Gestank zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte. Aber ausgerechnet er, der von allen Menschen gemieden wird, scheint der menschlichste von allen zu sein. Er ist ein Gentleman mit vielen Geheimnissen und er sorgt sich um Chloe.

Chloes anfängliche Widersacher werden überspitzt und klischeehaft dargestellt. Die überkorrekte Mutter mit ihren unrealistischen politischen Forderungen und ihrer großen Abneigung gegenüber Obdachlosen, die kleine fiese Schwester mit ihrem unmöglichen Terminplan, der übermäßig zurücksteckende Vater, die gemeinen Klassenkameradinnen – sie alle lassen Chloes Einsamkeit noch deutlicher werden. Sie zaubern dem Leser aber gleichzeitig ein ironisches Lächeln auf die Lippen. Man fühlt mit, obwohl man im selben Moment lachen muss. Zudem zieht sich englischer Humor durch das ganze Buch. Beginnend beim britischen Wetter und ‚After Eight‘, geht es weiter über machtgierige, verlogene Politiker, bis hin zum Tee als Lösung für alles. Die englischen Klischees und Vorurteile bringen auch den erwachsenen (Vor-)Leser zum Schmunzeln. Allerdings sind die Grenzen zwischen Realität und skurril übersteigerter Komik teilweise so verschwommen, dass dies bei jüngeren Lesern vielleicht zu Verständnisproblemen führen könnte.

Der Leser wird zeitweise direkt angesprochen und durch Erklärungen oder Zeichnungen einzelner Aspekte noch tiefer in den Fluss der Geschichte hineingezogen, teilweise aber auch aus ihm herausgerissen. Die krakeligen, mit grauem Aquarell hinterlegten Federzeichnungen von Quentin Blake lockern die Geschichte auf, betonen einzelne Aspekte oder fügen Details hinzu. Dabei sind sie ausdrucksstark, aber nicht aufdringlich.

Trotz der lockeren, überspitzten Schreibweise, die ein müheloses Verschlingen des Buches ermöglicht, werden die ernsthaften Themen der Geschichte schnell deutlich – Nächstenliebe, Selbstvertrauen, Anderssein, Freundschaft und Familie. Umso mehr überrascht da das Ende. Unvermittelt und grotesk übersteigert wendet sich alles zum Guten. Das Extrem des überdrehten Chaos löst sich in das Gegenteil einer völlig idealistischen, fast schon romantischen Ordnung auf. Ende gut, alles gut. Dennoch kann das Buch auch einen Funken von Nachdenklichkeit hinterlassen. Wie gehe ich mit Obdachlosen um? Wie gehe ich überhaupt mit meinen Mitmenschen um? Wie sieht es hinter der Fassade eines anderen wirklich aus? Was ist mir in meinem Leben wichtig? Diese und andere Fragen können neben dem Gefühl bleiben, eine herzerwärmende, aufregende und witzige Geschichte miterlebt zu haben.

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