Hanika, Beate Teresa: Nirgendwo in Berlin
Der Schein trügt
von Tamara Wiersch, Mariella Häusler und Elisa Hahn (Norbert Gymnasium Knechtsteden) -
Eine lesensWERT-Rezension (2011)
In ihrem neuen Roman "Nirgendwo in Berlin" behandelt Beate Teresa Hanika das Thema Chatten und greift so neben ‘normalen’ Teenagerproblemen ein aktuelles Motiv auf.
Greta ist ein fünfzehnjähriges Mädchen aus dem ländlichen Bayern. Nach der Trennung ihrer Eltern zieht sie mit ihrer Mutter und ihrem fast tauben Hund in die Metropole Berlin, wo ihre Mutter eine neue Stelle als Journalistin angenommen hat. Greta fühlt sich in der Großstadt sehr alleine und vernachlässigt, da der neue Beruf der Mutter sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. In den sechs Wochen Sommerferien vermisst sie ihre Clique, die sie schweren Herzens zurücklassen musste. Nachdem auch der Kontakt zu ihrer besten Freundin abbricht, findet Greta einen Seelentrost in dem Frauenschwarm Mikesch. Er haust als Sozialarbeiter zusammen mit dem schwererziehbaren Konrad eine Etage über Greta. Der junge Mann verdreht ihr den Kopf und schleicht sich mit viel Charme und Verständnis in das Herz des Mädchens.
Durch die dreizehnjährige Nachbarin Cindy lernt Greta die Welt des Chattens kennen. In einem Chat begegnet das Mädchen dann einer Gleichgesinnten, die sich Pampolina nennt. Die beiden Mädchen stellen fest, dass sie viele Gemeinsamkeiten haben und beide gerade eine schwere Zeit durchmachen. Greta ist froh, endlich jemanden gefunden zu haben, der sie versteht. Doch ihre Freude hält nicht lange an, da Pampolina nach kurzer Zeit verschwindet. Alles, was Greta weiß, ist, dass sie sich mit einem Unbekannten aus dem Chat treffen wollte. Zusammen mit der nervigen Cindy macht sich Greta auf, ihre Freundin zu finden – und muss feststellen, dass nicht alles so ist, wie es scheint.
Nach einem eher ruhigen Beginn entwickelt Hanika einen rasanten und interessanten Spannungsablauf, vieles bleibt bis zum Ende unklar. Der Höhepunkt liegt beinahe am Ende des Romans und durch das offene Ende bietet die Autorin den Lesern die Chance, die Fantasie spielen zu lassen und sich den weiteren Verlauf der Geschichte selbst zu erschließen. Auch bietet das offene Ende Anschlussmöglichkeiten für einen Folgeroman, in dem Gretas Geschichte weiter verfolgt wird.
Die Perspektive der Erzählung wechselt zwischen zwei Personen: Greta und einer Figur namens Parzival. Die Kapitel, in denen Greta erzählt, sind sehr lang und detailliert in der Ich-Perspektive geschrieben. So erfährt man – wenngleich aus subjektiver Perspektive – alles über Greta, von ihren Gefühlen bis hin zu ihrer Vergangenheit. Dies ermöglicht den Lesern, sich in Greta hineinzuversetzen und sich mit ihr zu identifizieren. Unterbrochen werden Gretas Schilderungen durch die Kapitel aus Parzivals Perspektive. Seine sehr kurzen Kapitel irritieren: Zunächst erfährt man nicht, wer er ist und welche Rolle er spielt. Im Laufe der Geschichte wird klar, dass er Pampolinas Entführer ist. Dabei unterbrechen seine merkwürdigen und verstörenden Erinnerungen immer wieder den Erzählfluss und erinnern an seine gefährliche Gegenwart. Erst spät wird Parzivals Identität aufgelöst, was nicht unerheblich zur Spannung beiträgt.
Indem sie auf die Gefahren des Chattens im Internet hinweist, greift die Autorin neben den alltäglichen Themen eines Jugendromans – wie Liebe, Freundschaft oder Familienproblemen – ein sehr wichtiges und aktuelles Thema auf. Hanika zeigt, wie problemlos im Netz die eigene, wahre Identität verborgen werden kann.
Der Jugendroman „Nirgendwo in Berlin“ ist spannendes, echtes Leseabenteuer, das für Jugendliche sehr ansprechend gestaltet und uneingeschränkt zu empfehlen ist.