Walther, Christian: Hinter den Lichtern

Die Ungewissheit über Fantasie und Realität

von Alina Boniolo und Julia Löscher (2016)

Was passiert, wenn wir uns auf nichts mehr verlassen? Wenn wir hinter die Lichter blicken und uns von unserer gewohnten Perspektive entfernen. Trauen wir uns die unergründlichen Tiefen und unerhörten Höhen zu erforschen?

„Hinter den Lichtern“ ist eine Anthologie aus achtzehn Geschichten, verfasst von bekannten AutorInnen wie Antje Wagner, Christoph Wortberg, Nils Mohl oder Elisabeth Steinkeller. Überraschende und unvorhersehbare Dinge geschehen, die die LeserIn nicht erwartet hätte. Mit jeder Seite, die man liest, könnte eine neue Abzweigung sichtbar werden. Nichts ist so, wie es auf den ersten Blick scheint. Sein oder Schein? Fantasie oder Realität?

Die von der Autorin Antje Wagner geschilderte Geschichte „Das beste Versteck“ thematisiert eine Affäre zwischen Tanja und Zeller. Tanja trifft sich mit ihrer Freundin Lisa, die ihr von ihrem neuen Freund erzählen möchte. Tanja schweift jedoch in Gedanken ab und denkt an Zeller, der seit Wochen nicht in ihr gemeinsames Versteck gekommen ist. Ihre Liebesbeziehung ist ein Geheimnis. Die LeserIn ist irritiert, denn Zeller ist fünfundzwanzig Jahre älter als Tanja, verheiratet und hat Kinder. Tanja beschreibt ihre Erfahrungen mit Zeller und wirkt dabei teilweise etwas verstört. Erst gegen Ende der Geschichte erfährt man die erschreckende Wahrheit hinter dieser Geschichte. Tanja denkt die ganze Zeit über Zellers Namen nach, bis sie ihn herausschreit...(Die Auflösung finden Sie in der Leseprobe.)

Zu Beginn der Geschichte „Der falsche Weg“ beschreibt Christian sich selbst als ‚Schisser‘. Auf dem Heimweg sieht er eine Frau, die von zwei Männern bedrängt wird. Der Ich-Erzähler beschreibt ausführlich, wie er zum Helden wird, der er immer sein wollte, die Frau vor den unbekannten Männern rettet und dabei selbst schwer verletzt wird. Doch welchen Weg schlägt Christian wirklich ein? Geht er den Weg des Helden? Oder entscheidet er sich doch dagegen?

Erschreckend ist die Handlung der Geschichte „Lawine“ von Christoph Wortberg. Davids Lehrer Dr. Kleinert ist durch und durch Physiker und Mathematiker. Ganz im Gegensatz zu David, der sich im Physikunterricht lieber in eine andere Welt hineinträumt. Dr. Kleinerts ‚Unverständnis‘ gefährdet Davids Versetzung. Anfang Dezember machen David und seine Familie über das Wochenende einen Skiausflug, in dem sich der Schüler und Dr. Kleinert begegnen. Im Skigebiet löst sich eine Lawine, von der Dr. Kleinert verschüttet wird. Der einzige Augenzeuge ist David. Die Frage, ob dort jemand verschüttet worden sei, verneint David bewusst. Er sieht seine Chance, einen neuen Physiklehrer zu bekommen und somit seine Versetzung zu retten. Doch am Montag steht Dr. Kleinert David im Physikunterricht wie gewohnt gegenüber…

Christian Walther ist es durch seine Auswahl unterschiedlicher Geschichten gelungen, sich mit Ungewissheit und Orientierungslosigkeit auseinanderzusetzen. Die Anthologie ist darauf fokussiert, über die Realität hinauszublicken. Die Konfrontation mit Überraschendem, Unvorhersehbarem und Erschreckendem eröffnen neue Erfahrungsräume: Lasst Euch auf die spannenden Geschichten ein. Traut Euch weiter zu gehen als üblich, und Euch durch neu einschlagende Pfade und Wendungen ins ‘Dazwischen’ entführen zu lassen!

Leseprobe