Jeannette Jenning
Jeannette Jenning wurde 1975 geboren und studierte Illustration an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg. Seit 1998 hat sie ihre eigene Malschule für Kinder und arbeitet auch als freie Malerin. Der geheimnisvolle Mantel ist ihre Diplomarbeit und wurde 2007 vom Atlantis-Verlag als Bilderbuch veröffentlicht. Jeannette Jenning lebt mit ihrem Sohn in Hamburg.
1. Wie kam eigentlich der Kontakt zum Atlantis-Verlag zustande? War Ihnen schon während der Arbeit an dem Buch klar, dass es veröffentlicht werden würde?
Der Kontakt mit dem Atlantis Verlag kam auf der Buchmesse in Bologna zustande. Ich habe dem Lektor von Atlantis, Hans ten Doornkaat, meine Bilder gezeigt, woraufhin er sich nach der Messe bei mir gemeldet hat und das Projekt veröffentlichen wollte. Bei der Arbeit an einem Buch wünscht und hofft man natürlich, dass es veröffentlicht wird, aber einen Verleger zu finden ist nicht immer einfach.
2. Gibt es Unterschiede zwischen Ihrer Diplomarbeit und dem nun veröffentlichten Buch?
Zum Zeitpunkt der Messe waren bereits zwei Drittel des Buches fertig, da keinerlei Einwände seitens des Verlages kamen, konnte ich auch die letzten Bilder nach meinen Vorstellungen gestalten.
3. Wie sah Ihre Arbeitsweise an dem Bilderbuch aus – wie sind Geschichten, Bilder und Charaktere entstanden?
Die Idee zu meinem Diplomthema hatte ich vor mehreren Jahren. Ein dicker Mann sollte etwas Merkwürdiges, Sonderbares unter seinem riesigen Mantel tragen. Obwohl ich mir über den Verlauf der Geschichte nicht im Klaren war, stand für mich von da an fest, dass ich an der Idee so lange arbeiten würde, bis daraus ein gutes Kinderbuch wird. Ich habe dann zunächst angefangen, einfach drauflos zu malen. Die Geschichte ist dann zum größten Teil über die Bilder entstanden. Da ich glaube, dass sich Kinder am besten mit kindlichen Darstellern identifizieren können, habe ich die drei neugierigen Kinder als Protagonisten gewählt.
4. Woher bekommen Sie Ihre Inspirationen und Ideen? Haben Sie Ihr Buch vorab an der Zielgruppe „getestet“?
Als Illustratorin bin ich immer auf der Suche nach guten Bildideen. Ich beobachte meine Umgebung genau und merke mir interessante Bilder. Zeitschriften und Fotografien geben zusätzlich sehr gute Anreize. Mein vierjähriger Sohn Anton, dem ich das Buch auch gewidmet habe, war mein bester Kritiker. Seine Fragen haben mir gezeigt, ob meine Bilder stimmig sind oder ob ich noch Veränderungen vornehmen musste.
5. Sie zeigen Mut zu großen Flächen, verwischten und weichen Konturen. Auch mutet ihr Buch sehr nostalgisch an. Ist das der spezielle „Jenning-Stil“?
Die nostalgische Stimmung, die das Buch hat, war ein Teil meiner Konzeption. Mir war es wichtig, diese Stimmung zu schaffen, die vielleicht auch etwas Märchenhaftes hat und in eine andere Zeit entführt. Der Leser soll sich in der Umgebung wohl fühlen. Dazu tragen auch die leichten Farbübergänge bei. Die großen Flächen in meinen Bildern stehen im Kontrast zu den detaillierten kleinen Flächen und bilden einen Ruhepol. Ich denke schon, dass dieser Stil meine persönliche Bilderwelt wiedergibt.
6. Die Geschichte von Herrn Hummel strahlt eine große Ruhe aus. Sie scheint im Gegensatz zur medialen Alltagswirklichkeit vieler Kinder zu stehen. Die eher sparsame Handlung lädt zum Erzählen und Erfinden eigener kleiner Geschichten ein. Befürchten Sie nicht, Kinder und/oder Vermittler damit zu überfordern?
Ganz im Gegenteil. Ich denke, dass die mediale Welt Kinder überfordert und ausbremst. Anders als z.B. beim Fernsehen hat das Kind Zeit, sich die Bilder im Buch anzusehen. Mögliche Fragen werden nicht durch zu schnell aufeinander folgende Reize überlagert oder verdrängt. Antworten können in Ruhe erklärt werden.
7. In Ihrem ersten Buch sind Sie Autorin und Illustratorin. Könnten Sie sich auch die Zusammenarbeit mit anderen Autoren vorstellen? Gibt es Autoren/Illustratoren, die Sie besonders beeinflusst haben?
Ich sehe mich in erster Linie als Illustratorin und kann mir daher auch sehr gut eine Zusammenarbeit mit einem Autor vorstellen. Es gibt viele Illustratoren wie z.B. Wolf Erlbruch, die ich sehr gut finde, kann aber nicht sagen, dass sie mich direkt beeinflusst haben, da sie stilistisch ganz anders arbeiten.
8. Was fasziniert Sie persönlich am Medium Bilderbuch? Welche Bücher haben Sie in Ihrer Kindheit besonders gemocht, und welche finden Sie heute ansprechend?
Mich faszinieren die Reaktionen, die Bilderbücher bei Kindern auslösen. Am schönsten finde ich es, wenn ein Kind die Geschichte weitererzählt und reflektiert. Die Geschichte lebt dann weiter, und man bekommt einen Einblick in die kindlichen Phantasien. Als Kind fand ich „Eduard in Afrika“ von Adelchi Galloni und Ermanno Libenzi toll, ein Wimmelbuch mit unzähligen Details, in dem man immer wieder neue Sachen entdecken kann. Mein Sohn liebt dieses Buch genauso, dennoch hätte ich es heute wohl nicht gekauft, da ich den Stil nicht besonders schön finde. Als Illustratorin ist man sehr anspruchsvoll. Mich interessieren besonders stilistisch und inhaltlich ausgefallene Bücher.
9. Das Bilderbuch ist in den letzten Jahren oft in die Krise geschrieben worden. Haben Sie keine Angst, dass qualitätsvolle Bilderbücher zwar vom Feuilleton hochgelobt, vom Markt aber kaum wahrgenommen werden?
Ich finde es immer wieder sehr bedauerlich, dass viele Eltern sich nicht mit der Auswahl der Bücher für ihre Kinder beschäftigen und nicht bereit sind, für ein gutes Kinderbuch etwas mehr auszugeben. Dennoch glaube ich, dass es auch immer Eltern geben wird, denen bewusst ist, wie wichtig das Vorlesen für die kindliche Entwicklung ist, und die sich dann natürlich auch zwangläufig selber mit den Büchern beschäftigen.
10. Ein gutes Bilderbuch muss ...
... die Neugier und Phantasie eines Kindes wecken!