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Titelbild
Crossan, Sarah:
Eins
Aus dem Englischen von Cordula Setsman
München: mixtvision 2016
EA 2015 u. d. T.: One
424 Seiten
€ 16,90 / E-Book € 13,99
Jugendbuch ab 14 Jahren

Crossan, Sarah: Eins

Die Geschichte, wie es ist, zwei zu sein

von Ann-Christin Baumeister (2016)

„Hier./Sind. Wir.//Und wir leben.//Ist das nicht unglaublich?//Wie wir es schaffen, überhaupt/zu existieren.“


Die Schwestern Tippi und Grace verbindet mehr als andere Geschwister, denn sie sind von der Hüfte abwärts zusammengewachsen und teilen ihr Leben als siamesische Zwillinge. Aus der Ich-Perspektive erzählt Grace, wie es sich anfühlt, sein Leben zu zweit zu meistern. Die Tragik des Romans zeigt sich im besonderen Maße im Prozess der Individuation, der sich für Tippi und Grace aufgrund ihrer körperlichen Beschaffenheit als besonders herausfordernd darstellt. Aufgrund finanzieller Probleme, den ständigen Arztbesuchen und teuren Medikamenten geschuldet, sollen die Schwestern das erste Mal in ihrem Leben eine öffentliche Schule besuchen. Trotz der gesellschaftlichen Stigmatisierung finden Tippi und Grace in Yaz und Jon jedoch neue Freunde, die sie so akzeptieren, wie sie sind und es schaffen, die beiden so anzuschauen, ,,als wären wir wirklich/zwei Personen’’. Doch Grace wird schwer krank und nur eine Operation zur Trennung der beiden kann ihre Leben retten.
Die in Irland geborene Autorin Sarah Crossan arbeitet die Thematik des ‚Eins-' und doch ,Zweiseins’ heraus und eröffnet damit ein sensibles und nicht alltägliches Thema. Der Roman leistet einen guten Beitrag zum viel diskutierten Thema der Inklusion und regt zum Nach- und Umdenken an. „Schon klar, dass es zu viel verlangt wäre,/dass jeder uns akzeptiert, wie wir sind-/oder uns gar/in Frieden lässt./ Gestern hatten wir Glück und heute/sind wir in der Realität angekommen.“ Tippi und Grace leben in einer Gesellschaft, die aufgrund ihrer selbst erschaffenen Normalitätskonstrukte eine gelingende Inklusion erschwert. Vielmehr zeigt sich die Tendenz zur Exklusion alle jener, die von den Normalitätsvorstellungen abweichen. Auch die Schwestern leiden darunter, nicht als ‚normal‘ angesehen zu werden und im ständigen Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Sie kämpfen jedoch gegen die Vorurteile an und streben nach Individualität und Akzeptanz. Entgegen der gesellschaftlichen Erwartungen sehen die beiden ihr Leben nicht als Tragödie an, und im Roman zeigt sich, dass das positive Hineinwachsen in eine von Menschen gemachte Realität trotzdem möglich ist. Es wird deutlich, wie wichtig Freundschaften und eine lebensbejahende Haltung sind.
In der sprachlichen Komposition spiegelt sich die Besonderheit des Romans wider. Dieser ist in rhythmischer Prosa erzählt, was zuerst ungewöhnlich wirkt, aber die LeserIn auf eine gewisse Art fordert und das literarische Lernen fördert. Die einzelnen Kapitel sind kurz und bilden Momentaufnahmen der Gedanken und Ereignisse aus dem Leben der Zwillinge im Zeitraum von sieben Monaten. Die Sprache zeichnet sich durch einen großen Assoziationsreichtum und eine ausdrucksstarke Symbolik aus. Beispielsweise findet sich die Symbolik bereits im Titel „Eins“ wieder, der zeigt, dass, obwohl es sich bei dem siamesischen Zwillingspaar um zwei eigenständige Individuen handelt, deren Leben so miteinander verschmolzen sind, sodass sie unweigerlich ,Eins’ bilden: ,,,Ach, komm schon Grace’, erwidert sie,/‚dieses ganze du und ich ist doch eine Lüge./Es hat immer nur ein uns gegeben.‘’’
„Eins“ ist nicht nur für Jugendliche ab 14 Jahren empfehlenswert, sondern auch für Erwachsene und kann didaktisch gut in den Schulunterricht eingebunden werden, um sich dem Thema der Inklusion anzunähern. Die Tatsache, dass es sich bei den Schwestern um ein siamesisches Zwillingspaar handelt, verbindet Crossan mit Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens wie der ersten Liebe, Freundschaften und Identitätsfindung:,,,Aber wir dürfen uns nie, niemals/verlieben./Verstehst du?’//‚Ja‘, flüstere ich. ‚Ich weiß.‘//Aber ihre Warnung kommt zu spät’’, denn Grace ist bereits in Jon verliebt.
Die LeserInnen werden von der Tragik und der Liebe im Erzählfluss mitgerissen, denn bei Tippi und Grace handelt es sich um zwei Protagonistinnen, die sich gegenseitig bis hin zur Selbstaufopferung lieben.

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