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Titelbild
Newman, John:
Anni
Aus dem Englischen von Anne Braun
Mit Vignetten von Heike Herold
Frankfurt/M.: Fischer Schatzinsel 2011
239 Seiten
€ 12,95
E-Book: € 10,99
Ab 8 Jahren
Kinderbuch

Newman, John (Text) und Heike Herold (Illustration): Anni

Wie das Leben weitergeht …

von Tanja Schumacher und Ulrike Schwanitz (2011)

„Montag – 149 Tage, seit Mami tot ist.“

Annis Mutter ist bei einem Fahrradunfall verunglückt. 149 Tage lebt das Mädchen nun schon ohne sie – mal mehr, mal weniger gut. Um diese Lücke kreist seitdem ihr Leben und das ihrer gesamten Familie: Anni, ihre Schwester Sally, ihr Bruder Conor und ihr Vater befinden sich in einer Ausnahme-Normalität.

Anni ist mit Abstand die jüngste der drei Geschwister. Ihre große Schwester Sally hat bereits das schwierige Teenager-Alter erreicht, sie führt neben ihrem Tagebuch auch schon „Frauengespräche“ mit Oma und Tante A und mag gerne schwarze Kleidung und Piercings. Der ältere Bruder Conor interessiert sich hingegen eher für sein Schlagzeug, Fußball und Motorräder.

Der Familienvater, von seiner Trauer gelähmt, ist nicht in der Lage, für seine Kinder zu sorgen und sie zu unterstützen, obwohl alle bei ihm leben. Die Großeltern sowie die beiden Tanten kümmern sich um die ungleichen Geschwister und geben ihr Bestes, den Verlust mit jeweils ganz eigenen Vorstellungen zu überbrücken. Während Tante B in ihrer Erziehung streng und diszipliniert vorgeht, genießt Anni bei Tante A weit mehr Freiheiten. Auch die fröhlichen Großeltern bemühen sich sehr und verwöhnen die drei Kinder mit ihren Späßen und selbst gebackenen Leckereien.

Annis Nachmittage sind so verschieden, wie die auf ihre Art allesamt liebenswerten Erwachsenen. Im fest geplanten Wochenablauf wiederholen sich verschiedene Elemente täglich, wie das Schauen ihrer Lieblingsserie Southsiders, Frau Lemons Süßigkeiten, die verkohlte Pizza abends von Papa und, so oft es geht, das Lesen in Sallys Tagebuch.

In der Schule hat Anni Probleme. Sie verschläft so gut wie jeden Morgen und macht eigentlich fast nie ihre Hausaufgaben. Von einigen Mitschülerinnen wird sie gemobbt. Trotzdem findet das Mädchen in ihrer Mitschülerin und besten Freundin Orla Trost und Halt. Mit aufbauenden Worten und ständig neuen Witzen steht sie Anni zur Seite und lässt sich auch nicht durch das Mobbing der Anderen abschrecken. Orla bildet eine wichtige Konstante in Annis Leben.

Gerade die Unterstützung der Freundin führt dazu, dass Anni im Vergleich zu den restlichen Familienmitgliedern seelisch recht stabil erscheint. Mamas Tod ist aber dennoch zu Beginn der Fixpunkt, an dem ihr persönlicher Kalender festgemacht ist. Jeden Abend vor dem Einschlafen spricht sie mit dem Foto ihrer Mutter und mit ihrem Stofftier Socky, für das sie vorher eigentlich schon zu alt war. Ihre Zeitzählung in Tagebuchform, die in den Kapitelüberschriften aufgegriffen wird, verliert sich erst, als an einem dramatischen Wendepunkt der Erzählung Sally verschwindet und die Familie durch diese Krise wieder zueinanderfindet.

John Newman vereint Leichtigkeit und reflektierte Tiefe zu einer außergewöhnlich warmherzigen und lesenswerten Geschichte. Leichtigkeit entsteht durch die authentische Sicht alltäglichen Lebens aus der Ich-Perspektive Annis und die liebevoll gezeichneten Charaktere, die keinerlei Langeweile aufkommen lassen. Tiefe wird durch die Entwicklung und Vielschichtigkeit der Figuren in ihrer Trauer und im Handlungsverlauf vermittelt. Ein ausgeglichenes Verhältnis beider Komponenten sorgt dafür, dass man die Geschichte lange im Gedächtnis behält.

Aus Annis kindlicher Sichtweise wird der Umgang mit der Trauer einer ganzen Familie dargestellt. So erlebt man anhand der Schwester Sally, dass ein hohes Maß an Schmerz auch mit großen Schuldgefühlen einhergehen kann, während sich ihr Bruder dagegen lautstark und zu allen Tages- und Nachtzeiten an seinem Schlagzeug austobt. Und man versteht, dass es zwar schön und angenehm ist, wenn das gesamte Umfeld Rücksicht und Geduld ausübt und keine Anforderungen stellt, dass das auf Dauer jedoch niemals gut gehen kann – jedenfalls nicht, um zurück zu einem geordneten und vernünftigen Leben zu finden. Dazu bedarf es erst der Anregung von außen, denn hier sind es andere Geschehnisse wie das Eingreifen der Großmutter, der Lehrerinnenwechsel oder die Flucht Sallys, die die Familie aufrütteln und ihr helfen, das Leben richtig anzupacken und in normale Bahnen zu lenken.

Newman schneidet mit seinem Debütroman Anni ein sensibles Thema an. Behutsam geht er damit um, spielt mit den unterschiedlichen Charakteren in ihrer Verschiedenheit und zeigt das komplizierte Leben eines kleinen Mädchens, das die Mutter verloren hat.

Auch wenn der Umgang und das Verarbeiten von Trauer Zentralthema des Buches sind, steht nicht die reine Verzweiflung im Mittelpunkt. Newmans Protagonistin Anni meistert ihr Leben ganz erstaunlich, und auch wenn es Rückschläge und Tiefphasen gibt, endet die Geschichte voller Hoffnung für die Zukunft.

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