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Clay Carmichael:
Zoë
Aus dem Englischen von Birgitt Kollmann
München: Hanser 2011
256 Seiten
€ 13,90
Kindle eBook: € 10,99
Ab 12 Jahren
Übergangsbuch

Carmichael, Clay (text und Illustration): Zoë

Vertrauen fassen schwer gemacht

von Jochen Bieber (2011)

Zoë ist ihr Leben lang allein klargekommen. Ihr Vater verstarb schon früh und ihre psychisch kranke Mutter war mehr mit sich selbst und ihren wechselnden Partnern beschäftigt, als je etwas für ihre Tochter zu tun. Als es mit der Mutter das zu erwartende schlechte Ende nimmt, wird die 11-jährige Zoë überraschend von ihrem Onkel Henry aufgenommen. Dieser hat seinerseits eine bewegte Vergangenheit. Er gilt als einer der besten Herzchirurgen des Landes, doch er hat diesen Beruf zugunsten seiner Kunst aufgegeben. Jetzt führt der schwer zugängliche, doch eigentlich liebevolle Mann ein zurückgezogenes Leben in einem Haus nahe einer Kleinstadt und noch näher an einem großen Wald und umgibt sich nur mit wenigen ausgewählten Menschen.

Da sind vor allem Fred und Bessie, ein befreundetes älteres Nachbarpaar, das eine große Rolle in seinem und bald auch in Zoës Leben spielt. Fred hilft Henry bei den täglichen häuslichen Verrichtungen. Seine Frau Bessie ist schwer am Herzen erkrankt und verbringt die Tage damit, in ihrem Haus bunte Quilts zu nähen. Eine Transplantation könnte ihr Linderung verschaffen, doch sie weigert sich, das Herz eines anderen in sich zu tragen, weil sie dann nicht mehr sie selbst sei. Besonders von ihr wird die junge Zoë viel darüber lernen, was es heißt, seinem eigenen Weg zu folgen und dennoch nicht allein zu sein. Zum ersten Mal in seinem Leben trifft das Mädchen hier nicht auf die üblichen Schnorrer und Lügner, die bis dahin ihr Menschenbild prägten, sondern auf zumeist freundliche und vor allem verlässliche Menschen, die etwas für sie völlig Neues bilden: eine Familie.

Clay Carmichael lässt die jungen Leser in seinem Buch durch die Augen des gegen alle Widrigkeiten selbstbewusst und schlagfertig geratenen Mädchens eine Entwicklungsgeschichte erleben, in der es um Vertrauen und das Abschütteln der Dämonen der Vergangenheit geht. Die Worte des Mädchens wirken dabei sehr erwachsen, was ob seines Alters verwundern mag, jedoch bei Kindern, die Schweres durchgemacht haben, nicht untypisch ist.

Doch ohne Startschwierigkeiten geht das Ganze natürlich nicht ab. Kaum in dem Haus ihres Onkels angekommen, plant Zoë auch schon wieder die Flucht. Bei einer Erkundungstour durch den Wald entdeckt sie ein altes Haus mit einem verlassenen Wohnwagen und beginnt sofort, sich diesen als Bleibe herzurichten, „für alle Fälle“. An diesem Rückzugsort verbringt sie lange Stunden, doch zur eigentlichen Flucht kommt es nicht. Henry gewährt ihr diese Zuflucht in dem Bemühen, seine Nichte im Zaum zu halten. Diese ist ihrerseits bemüht, den wilden Kater, der in der Nähe des Hauses wohnt, zu zähmen. Auch er ist durch schlechte Erfahrungen mit den Menschen sehr zurückhaltend ihr gegenüber, doch nach und nach nähern sich Zoë und „Herr Kommkomm“, wie sie ihn tauft, immer mehr an.

So wird die Geschichte immer wieder durch kleine Einschübe unterbrochen, in denen der Leser durch einen außenstehenden Erzähler sieht, was der Kater erlebt. Auch wird an einigen Stellen beschrieben, was „Herr Kommkomm“ in den vielen Jahren, die er schon in der Gegend lebt, mit ansah. Auf diese Weise bringen Hintergrundinformationen Licht in das große Ganze der Szenerie. Einige Beobachtungen werden sowohl aus der Sicht des Katers als auch der des Mädchens mitgeteilt, was die Unzuverlässigkeit des Erzählens, die beiden eigen ist, mindert und dem Leser eine gewisse Sicherheit in Bezug auf die Glaubwürdigkeit bestimmter Sachverhalte vermittelt. Geziert werden die Einschübe durch vignettenartige Schwarzweißzeichnungen des Katers, die von der Autorin selbst stammen.

„Zoë“ ist das erste Jugendbuch, nicht jedoch Clay Carmichaels Erstlingswerk, und es scheint ihr vielleicht persönlichstes Buch zu sein. „Auf vier weißen, rosa gepolsterten Pfoten stromerte diese Geschichte eines Tages in mein Leben“, offenbart sie im Anhang des Buches. Die selbst rothaarige Autorin war wie Zoë schon früh in Bücher und Katzen vernarrt. Ihr Mann fertigt Skulpturen an – so wie Zoës Onkel es mit alten Metallteilen tut. Und so wirken einige Formulierungen und Beschreibungen – gerade die des Katers – zu Recht wie aus erster Hand und keinesfalls ausgedacht.

Lesern, die darauf Wert legen, sich selbst ein Bild des Mädchens auszumalen, dürfte vielleicht sauer aufstoßen, dass die Protagonistin auf dem Buchcover abgebildet ist. Auch ist die Übersetzung des Originaltitels von „Wild Things“ unglücklich, da dieser im Gegensatz zu dem nur auf das Mädchen fixierten deutschen Titel „Zoë“ eben auch den eigenbrötlerischen Onkel und den Kater mit einschließt.

Wenn auch die Thematik eine andere ist, so erinnert das Setting des Buches doch mitunter an Harper Lees Roman „Wer die Nachtigall stört“, auf den in dem Buch auch Bezug genommen wird.

„Zoë“ ist ein Buch, das durch die erwachsene, zuweilen sehr freche Art der jungen Erzählerin unterhalten und ob ihres Werdegangs auch berühren kann. Wer sich allerdings allzu große Spannung erhofft, ist hier eher schlecht beraten, da die Geschichte letztendlich recht linear und vorhersehbar verläuft.

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