Leseprobe „Kalter Hund“
Das Ost-Westgeplänkel machte mir nicht viel aus, ich fuhr ja selbst in den Osten, allerdings aus ganz anderen Gründen. Ich wollte S-Bahn fahren, in der Bank sitzen, durchgeschüttelt werden und dabei dicke Romane lesen. Wie oft fuhr ich von West nach Ost, ohne einen Unterschied zu bemerken. Unser Bahnhof Heerstraße lag im Westen, und im Osten, tief im Osten, in Königs Wusterhausen, stieg ich aus, sah mich um, kaufte mir am Kiosk ein Wassereis für 10 Pfennig und fuhr zurück. Mein Buch war mir auf diesen Reisen wichtiger als der ewig gleiche Anblick von Zerstörung in Ost und West. Vertieft in meine russischen Romane, nahm ich die Welt da draußen gar nicht wahr. Vor den Russen, deren Bücher ich verschlang, fürchtete ich mich im Gegensatz zu den Großeltern nicht. (S. 24f.)