Likar, Gudrun (Text) und Sabine Büchner (Illustration): Prinzessin Fibi und der Drache
Prinzessin wider Willen
von Janna Beisenbusch (2009)
Bitte nicht noch ein Buch über Prinzessinnen! Diesen Gedanken kann einem beim Anblick von „Prinzessin Fibi und der Drache“ angesichts der Augenkrämpfe wohl niemand verübeln, die von den rosapinkfarbenen, flauschigen „Lillifee“-Ecken jeder beliebigen Buchhandlung ausgelöst werden. Doch bei näherer Betrachtung scheint Fibi anders zu sein …
Fibi ist – Prinzessin nur dem Stande nach – nicht wie die üblichen Prinzessinnen: Sie mag kein ‚Ach-so-niedliches Rosa‘, lehnt das Tragen einer Krone entschieden ab, weil „sich dauernd die Haare verhedderten“, und würde sich unheimlich gerne einmal so richtig schmutzig machen oder prügeln. Statt mit Puppen zu spielen, bevorzugt sie einen Werkzeugkasten, und mit dem kann sie auch noch richtig gut umgehen! Sie ist also nicht gerade das, was Verfechter einer tradierten Rollenverteilung als mädchenhaft bezeichnen würden.
Als ein großer, übel gelaunter Drache Einzug in Fibis Reich hält und diese Gelegenheit nutzt, um ordentlich Angst und Schrecken zu verbreiten, wittert Fibi ihre große Chance, der Welt im Allgemeinen und ihrer überbesorgten Königsmutter im Speziellen zu zeigen, was eine Prinzessin neben rumsitzen, nett lächeln und sauber sein noch so alles kann. Sie macht sich auf zum Drachenhügel, um das zu tun, was die zahlreichen erfolglosen Drachentöter bisher versäumt hatten: den Drachen einfach mal nach seinen Beweggründen zu fragen.
Die nahezu wundersam-effektiven Strategien des Konfliktmanagements, die sie dazu anwendet, dürften wohl jedem Pädagogen ein breites Lächeln ins Gesicht zaubern: Verständnisvoll, doch stets beharrlich hält sie dem „Herrn Drachen“ die Vor- und Nachteile seines gar nicht netten Verhaltens vor. Seiner Tobsucht begegnet sie mit Vernunft, das heißt mit sachlichem Erforschen der Ursache. So entdeckt und behebt sie diese schließlich – unter Zuhilfenahme ihres praktischen Werkzeugköfferchens.
Gudrun Likar schildert Fibis Exkursion in einer einfachen und jüngeren Kindern angemessenen Sprache. Während sich die erste Hälfte des Buches vorwiegend mit Beschreibungen der Hauptfigur befasst, wird Fibis Zusammentreffen mit dem Drachen eher dialogisch geschildert. Entgegen aller Befürchtungen spricht Fibi keine typische Kindersprache, und auch den Hang zum Altklugen wusste Gudrun Likar zu vermeiden. Die „elefantöse“, „ornamentöse“, ja sogar „fibulöse“ Sprechart des Drachen hingegen klingt zuweilen übersteigert und gewollt phantasievoll.
Zum Leben erweckt wird die Geschichte auch durch die gelungenen Illustrationen Sabine Büchners. Teils den Inhalt spiegelnd, ihn teils um viele kleine Details bereichernd, setzt sie die Geschehnisse rund um Fibi und den Drachen humorvoll in Szene – sei es in feingestalteten Einzelheiten oder auf großflächigen, sich über zwei Doppelseiten erstreckenden Bildern. Besonders die Darstellung des Drachen und der nichtsnutzigen Töter desselben besticht durch einfache, aber ausdrucksstarke Zeichnungen. Ihre Hoheit Fibi hingegen macht einen eher durchschnittlichen und unauffälligen Eindruck.
Aufgrund ihrer märchenhaften Züge ist diese Geschichte mit ihren modernen Zeichnungen sicherlich interessant für Mädchen ab sieben Jahren, die durch die Schule schon ein gutes Stück selbstständig geworden sind. Besonderen Spaß mag ihnen das Betrachten der Zeichnungen bereiten, die Geschichte selbst fordert jedoch nicht unbedingt zur mehrmaligen Lektüre auf.
Likars und Büchners in der ABC-Reihe des Tulipan Verlags erschienenes Kinderbuch avanciert durch die mittlerweile nicht mehr ungewöhnliche „Sei stark!“-Thematik zum Mädchenbuch nicht ohne pädagogischen Hintergrund. Der anfangs skeptische Leser mag schlussendlich also denken: „Nicht nur ein Prinzessinnenbuch, sondern auch noch eins mit ‘ner emanzipierten Heldin…“