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Erzählkäsefondue Ausrufezeichen Fragezeichen Ausrufezeichen oder Überlegungen zu einer Ästhetik der generation cheese beer

vom Alaaf-Köllektiv (2023)

Heinz Strunk, seines Zeichens medial omnipräsenter, kommerziell erfolgsverwöhnter Tausendsassa mit Niveautransgressionslizenz und zugleich seit einiger Zeit ein durchaus unwahrscheinlicher Liebling der deutschen Vorzeigefeuilletons, legt mit Die Käsis ein knallbuntes Nonsens-Märchen vor, das vor Ballaballalogik, abstrusen Pointen und dem typischen Strunk-Sound nur so strotzt – und das dabei natürlich nur so tut, als ob es ein Kinderbuch sei.

Aber der Reihe nach: Wir befinden uns in der womöglich vom Flying Cheese Monster animierten Mikropopulation einer gutsortierten Supermarktkäsetheke und tauchen ein in das vom Strunk‘schen Unwahrscheinlichkeitsdrive angetriebene Erzählgeschehen mit mindestens 66,6 Prozent Roadmovieanteil in der Trockenhinterdenohrenmasse. Und so bleibt also noch genug kritische Masse übrig, um stratifizierte Gesellschaftsmodelle und rassifizierte Hierarchien geharnischt aufs Korn zu nehmen und dies mit einer Holzhammerpersiflage über unter Allmachtsphantasien leidende Internetbilliardäre (‚Nazi-Käse‘!) zu verbinden, was das Unterhaltungs- und Kritikbedürfnis der Leser*innen auf das Schönste miteinander in Einklang bringt!

Als Zwischenfazit kann man deshalb auch schon einmal relativ am Anfang dieser Rezension festhalten, dass es Die Käsis gelingt, die wichtigsten Probleme unserer Gegenwart nicht nur anzusprechen, sondern auch mit unnachahmlicher Eleganz einem möglichst breiten [sic!] Publikum verständlich zu machen… Trotzdem bleibt es nicht aus, dass sich durch die Geschichte der eine oder andere, mehr oder minder (un-)appetitliche (Gender-)Klischee-Käsefaden zieht: Strunks großes Thema ist und bleibt eben der (groteske) Körper, den er jenseits von political correctness lustvoll inszeniert. (Wer das für sexistisch, ableistisch o.ä. hält, helfe sich selbst bzw. lese ab jetzt einfach nicht weiter!) Doch dem kleinen, weiterlesenden Rest der Menschheit sei hier zugerufen: ‚Mach Dir keine Sorgen, bitte!‘ Denn am Ende der ereignishaften, von manch wilder Abschweifung geprägten Geschichte steht ein überaus freudig-harmonisches Hochzeitsfest für die heldenhaften Käsis, das auch bei good old Nestroy nicht fulminanter aus dem Hut hätte gezaubert werden können!

Dazwischen wird sich eben cross class verliebt, wird man interniert, die Käsis kommen aus dem Gefängnis frei, fliehen vor unangenehm engagierten Faschohäschern (fiesen Käsesticks) – und man reist viel und interessant: An Bord der schwatzhaften Eierscheese – die übrigens auch ein paar olle Kamellen aufzuwärmen pflegt, die wir irgendwo schon einmal gelesen zu haben glauben – geht es (zu Lande, zu Wasser und in der Luft) ins Edelnussreich Macadamia, durchquert man die Wüste Gabi und landet auf der Hallig Honig. Nach vielen lehr- und verlustreichen Abenteuern (rest in pieces, kleine Eierscheese!) geht es schließlich im Heißluftballon zurück nach Käsiland, wobei unsere Held*innen nicht nur alien like von einer lyrischen Spottbazille begleitet werden, sondern vor der finalen Hochzeitsfeier auch noch den beinahe allmächtigen Tycoon (zurück?) ins All schießen: Bei Heinz Strunk bekommt man eben noch etwas für sein Leseinteresse geboten!

Möchte man dieses ergreifende opus magnum noch etwas besser begreifen, so kann gesagt werden, dass es auf sprachlicher Ebene von Wortwitz (hauptsächlich im produktiven cheddarschen Feld) und Fabulierlust getragen sowie von wilden Assoziationsketten, Bildbrüchen und Verballhornungen ohne Scheu vor Klamauk und Kalauern geprägt wird. Und die viel Raum einnehmenden, im Graffiti-Style gehaltenen, in Zusammenarbeit mit Typeholics entwickelten Illustrationen von vents137 verdoppeln die ‚frohe Botschaft‘ nicht einfach, sondern sorgen für eine knallbunte Anreicherung inklusive exklusiver Lavalampen-Wah-Wah-Effekte. Zu empfehlen ist dieses sorgfältig ausgestattete Mittelalterswerk, das im kuriosen Modus einer ‚Als-ob-Kindergeschichte‘ daherkommt, deshalb als visuell-grafisches Abenteuer für erwachsene Leser*innen, als politisch-sozialer Ratgeber für die generation cheese beer und natürlich auch als Vorlesebuch für das innere Kind. Eine vielleicht von Babybel zu sponsernde Fortsetzung könnten wir uns daher sehr gut vorstellen, möchten hier aber, unserer publizistischen (All-)Macht eingedenk, wirklich niemanden allzu sehr unter Druck setzen!

 

Bibliographische Angaben:

Strunk, Heinz
Die Käsis.
Ill. v. vents137 und Typeholics
Hamburg: Lappan 2023
Seitenzahl: 73
Kinderbuch ab 21 Jahren

Leseprobe S. 22