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Zitteraal und Wirbelwind

Von Yasemin Sahin, Hatice Kilicaslan, Jana Franz und Elena Massenkeil (2023)

„Julian und Anisa und das Wunder vom Wacholderpark“ von Benjamin Lebert ist eine Kindergeschichte über Solidarität und die Bedeutung des Zusammenhalts in schwierigen Zeiten. Mit viel Einfühlungsvermögen wird die Geschichte von einer sich entwickelnden Freundschaft zwischen zwei Kindern erzählt, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Das Werk behandelt dabei auch das Thema Mobbing und zeigt, wie wichtig es ist, für andere einzustehen und sie zu unterstützen.

Obwohl die Figuren eher typisiert sind, wirken sie durchaus authentisch, was insbesondere dadurch gewährleistet wird, dass die Geschichte abwechselnd aus den Perspektiven beider Charaktere erzählt wird, die den Geschlechterklischees entgegen konzipiert sind: Julian ist ein schüchterner und einfühlsamer Junge. Anisa hingegen ist ein selbstbewusstes Mädchen, das Stärke und Entschlossenheit verkörpert.

Ihre Freundschaft entwickelt sich im Laufe der Geschichte zu einer tiefen Verbundenheit, nachdem Anisa Zivilcourage zeigt, als Julian von Klassenkameraden schikaniert wird. Im Eifer des Gefechts fordert Anisa ihre tyrannischen Mitschüler zudem zu einem vermeintlich aussichtslosen Fußballspiel heraus, bei dem sich zeigt. das wahre Stärke aus dem Glauben an sich und sein Team erwächst. Insgesamt ist der Plot der Geschichte allerdings vorhersehbar, sodass sich der Ausgang der Handlung und insbesondere des Fußballspiels schon früh erschließt. Zudem versucht Lebert, eine möglichst große Vielfalt an Themen abzudecken, was dazu führt, dass einzelne Themenbereiche nicht ausführlich behandelt werden können.

Benjamin Lebert, der mit „Crazy“ 1999 einen auch international beachteten Überraschungserfolg landete, pflegt einen für die adressierte Altersgruppe packenden und emotional zugewandten Schreibstil. Die Szenen sind lebendig beschrieben, was auch durch die Illustrationen unterstützt wird, und die Spannung wird konstant aufrechterhalten. „Julian und Anisa und das Wunder vom Wacholderpark“ ist also ein Kinderbuch mit Stärken und Schwächen, wobei erstere letztere deutlich überwiegen.

 

Bibliographische  Angaben:

Lebert, Benjamin
Julian und Anisa und das Wunder vom Wacholderpark
Weinheim:  Verlag Gulliver (2023)
135 Seiten
ab 8 Jahren

Leseprobe, S. 100:

Eigentlich hätte ich hundemüde sein müssen. Unfähig, auch nur eine einzige Wimper in Bewegung zu setzen. Aber abends lag ich im Bett und war hellwach. Wofür hatte sich Anisa denn mit ihrer Karte bedankt? Dafür, dass ich ihr in der Schule beigestanden hatte? Oder sogar für noch etwas anderes? Dass ich ein Freund war? Ihr Freund? Ich wagte kaum, mir das überhaupt vorzustellen. Der Zitteraal, ein Freund? Ich wollte ihr jedenfalls beistehen, mit allem, was mir nur möglich war. Aber wie konnte man einer Freundin wirklich helfen, wenn man dafür etwas Unmögliches schaffen musste? Gegen Diego zu gewinnen? In meinem Kopf wirbelten alle Bilder des Tages durcheinander, und ich musste wieder an die Geschichte denken, die mir Anisa von dem HSV-Profi und dem Pokal erzählt hatte. Und in dem Moment wurde mir etwas klar: Ich wusste, dass ich noch einmal in das verbrannte Bootshaus gehen musste.