Labor Ateliergemeinschaft: ICH SO, DU SO – Alles super normal
Alles ist super normal – oder doch nicht?!
von Clara Finken, Mona Messerschmidt, Henrike Müller (2018)
„Wir wollen sein dürfen, wer wir sind, und dazugehören – jeden Tag anders, neu oder gleich, ohne dass man uns bewertet oder in eine Schublade steckt. Denn jeder Mensch ist vielseitig und einzigartig. Und er kann sich verändern. Je offener wir aufeinander zugehen, umso besser gelingt es uns, zusammen glücklich zu sein. Wenn wir alle gleich wären – wie langweilig wäre das Leben!“
Das illustrierte Sachbuch „Ich so, Du so. Alles super normal“ für Kinder ab neun Jahren der Labor Ateliergemeinschaft ist alles andere als ‚normal‘. Aber was ist das schon? Der Frage, was denn eigentlich Normalität ausmacht, wird hier nachgegangen und festgestellt: Es ist normal, verschieden zu sein. Denn was als ‚normal‘ gilt, wird von Menschen festgelegt und kann dementsprechend auch verändert werden. Und so wird in dem Buch über den Tellerrand geschaut, werden gesellschaftliche Konstruktionen wie beispielsweise Geschlecht und Behinderung hinterfragt.
Den Schwerpunkt des Buches bilden die Selbstauskünfte von Kindern und Erwachsenen zu Fragen wie: „Mit wem oder was würdest du gerne einen Tag das Leben tauschen?“ oder „Gab es ein Erlebnis, bei dem du dich nicht normal gefühlt hast?“ Dabei wird deutlich, in welchem Punkt wir alle gleich sind: Jede*r hat sich schon einmal nicht ‚normal‘ gefühlt und für niemanden fühlte sich das gut an; es ist diese eine Eigenschaft, die uns alle verbindet und schwerer wiegt als unsere Unterschiede: Wir alle sind Menschen und teilen das gleiche Gefühlsrepertoire. Es wird aber auch deutlich, dass in einigen Punkten unsere Wahrnehmungen und Meinungen auseinandergehen: Der*die eine ist am glücklichsten, wenn er*sie nicht zur Schule muss, der*die nächste wiederum ist am glücklichsten, wenn er*sie die Schule besuchen darf.
In bunten Comics spielen die Autor*innen gekonnt mit Klischees zu Geschlechterrollen, Kulturzugehörigkeiten, Behinderungen und vielem mehr. So zeigen sich beispielsweise vielfältige Gedanken verschiedener Personen in einer Schwimmbadsituation – während der eine aufgrund seiner starken Brustbehaarung verunsichert ist, wird er vom Nächsten für seine Männlichkeit beneidet. Diversität als Oberthema des Buches wird durch die Darstellungsebene unterstrichen: Farbenfrohe Bilder und witzige Geschichten wechseln sich im Buch mit Seiten ab, die über die Verwendung von Gendersternchen o. ä. aufklären, was das Ganze zu einem echten Leseerlebnis macht. Die Einheiten zum Mitmachen und Mitdenken runden das Buch ab. So gibt es z.B. auf der Seite der Schwimmbadsituation noch freie Sprechblasen für eigene Gedanken. Abgeschlossen wird die Botschaft des Buches mit dem Artikel 3 des Grundgesetzes, der besagt, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind und niemand aufgrund bestimmter Eigenschaften diskriminiert werden darf. Doch wäre Artikel 1 – „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ – nicht noch viel passender? Denn dieser Artikel impliziert nicht nur Artikel 3 und alle weiteren Gesetze, er macht auch unmissverständlich darauf aufmerksam, dass alle Menschen gleichwertig (zu behandeln) sind, ganz gleich, wie unterschiedlich sie sind.
Rundum ist „Ich so, Du so. Alles super normal“ ein gelungenes und empfehlenswertes Buch zu wichtigen Themen unserer Gesellschaft, mit dem eine starke Botschaft übermittelt wird. Allerdings hat es doch ein irritierendes Moment: seine Adressat*innengruppe. Gerade Kindern muss doch die gleichwertige Behandlung aller Menschen nicht nahegebracht werden, da sie intrinsisch genau so handeln. Und so bietet das Buch einen Mehrwert auch für die erwachsenen
(Mit-)Leser*innen, die erkennen können, dass die gleichwertige Behandlung aller Menschen ganz einfach und gar nicht so komplex ist, wie es gesellschaftlich mitunter proklamiert wird.
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