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Rabinowich, Julya:
Dazwischen Ich
München: Hanser 2016
254 Seiten
€ 15,00
E-Book: € 11,99
Jugendbuch ab 14 Jahren

Rabinowich, Julya: Dazwischen Ich

Zwischen Freundschaft, Liebe und Asylantrag

von Minnet Herbst und Maike Vesper (2017)

Die fünfzehnjährige Madina hat die gleichen Probleme wie jeder andere Teenager auch: Sie streitet und verträgt sich mit ihrer besten Freundin, ist genervt von ihren Eltern und ihrem kleinen Bruder, beginnt für Jungs zu schwärmen und entdeckt, dass ihr Körper sich verändert. Doch das sind nicht die einzigen Themen, die Madina beschäftigen: Sie ist mit ihrer Familie aus einem Kriegsgebiet geflüchtet und lebt nun in einem Flüchtlingsheim in Deutschland.
In ihren Tagebucheinträgen wechseln sich Gedanken über ihre Heimat, den Krieg und Erinnerungen an die Flucht mit typischen Sorgen eines Teenagers ab. Madina schreibt sehr reflektiert über ihre Erlebnisse, doch wenn ihr alles zu viel wird, zieht sie sich in ihre Märchenwelt zurück, denn dort ist sie nur für sich. Mal füllt ein Eintrag mehrere Seiten, mal wird ein Tag in einem Satz abgehandelt.

Auch Madinas Alltag ist von großen Gegensätzen geprägt. Einerseits bemüht sie sich in der Schule mitzukommen und versucht so viel Zeit wie möglich mit ihrer besten Freundin Laura zu verbringen, andererseits muss sie ständig als Vermittlerin fungieren – zwischen ihren Eltern und ihrer Tante, dem Vater und den deutschen Behörden und vor allem ihrem alten und ihrem neuen Ich.
Die zunächst innige Vater-Tochter-Bindung wird durch die starken kulturellen Unterschiede auf eine harte Probe gestellt. Während es Madina gelingt, sich immer mehr zu integrieren und in Deutschland anzukommen, reagiert ihr Vater mit Ablehnung gegenüber den neuen Lebensumständen. Durch viele Verbote versucht er Madina wieder an ihre Wurzeln zu erinnern und sie so wieder stärker an die Familie zu binden. Doch dadurch ist Madina zerrissen zwischen der Welt, die sie zurückgelassen hat und der, die sie zu ihrer neuen Heimat machen möchte. Außerdem ist ein ständiger Begleiter der Familie die Angst, jederzeit abgeschoben zu werden. Und diese Angst verschärft jeden aufkommenden Konflikt zusätzlich.

Den Namen der Autorin, Julya Rabinowich, verbinden viele sicherlich eher mit der Allgemeinliteratur – so stand sie mit ihrem Roman „Die Erdfresserin“ 2011 auf der Shortlist des Bachmannpreises. „Dazwischen: Ich“ ist Rabinowichs erstes Jugendbuch.
Sie selbst hat als Siebenjährige mit ihrer Familie ihre Heimat, die Sowjetunion, verlassen, um in Österreich ein neues Leben zu beginnen – und kennt sich also damit aus, in der Fremde eine neue Heimat zu finden (Lesen Sie mehr dazu in dem Interview „Elf Fragen an Julya Rabinowich“ ).

Die Flüchtlingsthematik ist aktuell und wird derzeit kontrovers diskutiert. Doch die Autorin vermag es durch ihren authentischen und ansprechenden Schreibstil, den Leser*innen ein eher unpersönliches Thema näher zu bringen und aus einer womöglich neuen Perspektive zu betrachten.
Rabinowich‘ Stil ist hier vor allem durch die einfachen Satzstrukturen geprägt, in denen sich auch des Öfteren Auslassungen finden, was typisch für eine jugendliche Sprech- bzw. Schreibweise ist. Auch viele Neologismen werden in diesem Werk verwendet, die vor allem die Zerrissenheit der Protagonistin deutlich machen.

Vieles in diesem Buch ist stimmig und verdeutlicht die Themen ‚Identität‘, ‚Flucht‘ und ‚Migration‘. Jedoch ist es fraglich, ob es Madinas Märchenwald wirklich gebraucht hätte, um ihren Weg zur Identitätsfindung zu verdeutlichen – denn diese Passagen reißen die Leser*in doch eher aus dem Lesefluss, als dass sie sich in ihn einfügen.

„Dazwischen Ich“ richtet sich vor allem an Jugendliche ab vierzehn Jahren. Doch auch Erwachsenen könnte dieses Buch einen neuen Blickwinkel auf viele Dinge geben und das Einnehmen neuer Perspektiven ermöglichen.

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