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Frank, Astrid:
Enno Anders oder Löwenzahn im Asphalt
Mit Illustrationen von Regina Kehn
Stuttgart: Urachhaus 2017
158 Seiten
€ 14,90
Illustriertes Kinderbuch ab 9 Jahren

Frank, Astrid (Text) und Regina Kehn (Illustrationen): Enno Anders oder Löwenzahn im Asphalt

Zwischen Emotionen und fremden Planeten

von Lena Breuer, Maxine Glasmacher, Maren Groenewald und Katharina Sottek (2017)


Stellen Sie sich vor, dass Sie unzählige Dinge gleichzeitig wahrnehmen, ohne die Möglichkeit zu haben, diese Reize zu filtern: Sie hören das Knacken einer Heizung, eine Fahrradklingel draußen auf der Straße, das Rascheln der Bäume, das Schniefen einer anderen Person, das Zwitschern der Vögel – und das alles gleichzeitig. Außerdem beeinflussen Ihre Emotionen stetig Ihr Denken und Handeln, was Sie zwar zu einer feinfühligen Person macht, Sie aber zugleich häufig den Fokus verlieren und Sie dadurch von Ihren Mitmenschen als verträumt und unkonzentriert wahrgenommen werden lässt. So kommen Sie der Hauptfigur Enno Anders aus Astrid Franks Roman „Enno Anders oder Löwenzahn im Asphalt“ schon etwas näher.

Enno ist ein Kind mit einer hochsensiblen Wahrnehmung und einer ausgeprägten Phantasie. Es fällt ihm leicht, sich Geschichten auszudenken, die ihm helfen, den Alltag zu bewältigen. Aufgrund seiner mangelnden Konzentration kann er manchmal dem Unterrichtsgeschehen nicht folgen und driftet auch dann in seine Phantasiewelt ab. Dies hat negative Auswirkungen auf die Beziehung zu seinen Mitschüler*innen, zu seiner Klassenlehrerin Frau Wolf und auf seine schulische Laufbahn, denn Enno ist mit elf Jahren der Älteste in der vierten Klasse. Über die Schwierigkeiten in der Schule redet er mit seinem besten Freund Olsen, welcher ihn mit Verständnis und Respekt behandelt und seine Gedankenabenteuer nicht hinterfragt. Verständnis wünscht sich Enno auch von Frau Wolf und seiner Mutter Sabine, denn beide können sein Verhalten nicht nachvollziehen und sind im Umgang mit ihm oft ratlos. Frau Wolf kritisiert Ennos Leistungen kontinuierlich und Sabine ist leicht reizbar ihm gegenüber. Enno würde gerne ‚normal‘ sein, um so dem Wunsch seiner Mutter nachzukommen, doch er weiß nicht, wie er dies umsetzen soll. Von seinem Vater und seiner Schwester erhält er mehr emotionale Unterstützung, aber er flüchtet sich immer wieder in seine Phantasiewelt zum Planeten Mamojusave, welchen er in Briefen an seinen verstorbenen Großvater beschreibt. Man begleitet Enno, wie er an seinen Herausforderungen wächst und zuletzt die Anerkennung erhält, die ihm zusteht – wenn auch nicht bedingungslos.

Im Alltag nimmt Enno manche Situationen ‚anders‘ wahr, wie zum Beispiel beim Kauf eines Pullovers: Dieser verwandelt sich plötzlich in eine gefährliche Würgeschlange und Enno wirft sie in eine Ecke der Umkleide. Immer wieder wird gleichsam deutlich, wie einsam Enno ist, wenn er beispielsweise alleine auf einer Parkbank sitzt und darüber nachdenkt, wie besonders die Tauben auf Mamojusave singen können.

Astrid Frank hat eine komplexe Thematik ansprechend und altersadäquat mittels einer leicht verständlichen Sprache und phantasievoller Umschreibungen dargestellt. Jede Figur des Romans hat ihre eigene vielseitige Persönlichkeit und dies verleiht der Handlung eine interessante Dynamik. Ein weiteres Herausstellungsmerkmal des Werkes ist, dass Enno konsequent auf seine Emotionen vertrauen kann und sie zulässt, sowohl in Situationen, in denen er beispielsweise einsam ist oder fasziniert über Ameisen erzählt. Letztlich lernt er, an sich selbst zu glauben, und dies spendet Mut. Kritisch zu sehen ist jedoch, dass Sabine erst eine Akzeptanz für ihren Sohn nach der Diagnose ‚Hochsensibilität‘ entwickelt, ihn zuvor nicht anerkennen konnte, wie er ist. Außerdem wird ihre Figur und die der Frau Wolf beinahe überspitzt dargestellt, was jedoch bei einem Roman, welcher schon für jüngere Leser*innen geeignet sein soll, ein angemessenes Stilmittel ist.

Insgesamt ist der Roman für Leser*innen ab neun Jahren geeignet, da sie emotional in die Handlung involviert werden und ihr mit Interesse folgen können. Ein Perspektivwechsel hin zu Ennos Wahrnehmung wird ermöglicht, was die Frage nach der Abweichung von einer vermeintlichen Norm erneut aufwirft, und – zum Glück – nicht mehr so leicht beantworten werden kann.

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