Leseprobe "Hikikomori"
„Wer da?” Tills Stimme hört sich an, als wäre seine Zunge wie gelähmt und trage schwer an jeder Silbe. Die Stimmen und Spielgeräusche verstummen. Er muss direkt hinter der Tür stehen.
„Ich bin’s, der Jan.“
Till zieht die Tür auf. Das Flurlicht fällt grell auf ihn, lässt ihn reflexartig die Hand vor das Gesicht ziehen. Das Haar ist länger, struppiger geworden, die Augen sind nicht zu sehen, im Mundwinkel steckt eine Zahnbürste. Um die Mundwinkel Schaum, das Kinn wie der Hals sind unrasiert. Seine Haut wirkt ausgeblichen, als habe er wie eine Jeans in der prallen Sonne gelegen und ein wenig an Farbe verloren. Er trägt ein blaues, viel zu kleines Polo-Shirt und gepunktete Boxershorts. In der Boxershorts steckt ein Plastikbecher, der im ersten Moment wie ein erigiertes Glied wirkt. Sein schmaler Körper kann den Blick ins Zimmer nicht versperren. Jan erscheint es größer als sonst. Über allem liegen ein modriger Geruch und eine feine Staubschicht.
„Was machst du da?“, fragt Jan.
(S. 104f.)