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Jenning, Jeannette:
Der geheimnisvolle Mantel
Zürich: atlantis 2007
€ 13,90
Ab 4 J.
Bilderbuch

Jenning, Jeannette (Text und Illustration): Der geheimnisvolle Mantel

Aktion Arche Hummel

von Christian A. Schulz (2007)

Herr Hummel ist dick. Sehr dick. Doch die Kinder, die ihn allmorgendlich das Haus verlassen und abends wieder heimkommen sehen, wissen, dass das nicht ganz natürlich sein kann. Irgendetwas muss er unter seinem weiten Mantel verstecken. Aber was? Es muss ja einen Grund dafür geben, dass der Mantel sich immer an verschiedenen Stellen merkwürdig ausbeult und sogar Geräusche von sich gibt. Die Kinder beschließen, die Sache zu ergründen, und so verfolgen sie Herrn Hummel heimlich, bis der Mantel sein Geheimnis ganz zufällig lüftet …

Ein Mädchen und zwei Jungen sind die Juniordetektive in Jeannette Jennings Bilderbuch „Der geheimnisvolle Mantel“. Sie starten eine kleine Beschattungsaktion, bei der der Leser die Kinder begleitet – quer durch die Stadt und immer auf den Spuren des ‚dicken’ Mannes. Auf den zwölf Doppelseiten des querformatigen Buches, die durch je ein großes, flächiges Bild ausgefüllt werden, kann man die Nachforschungen Szene für Szene verfolgen. Mit jedem Umblättern wird der Betrachter an einen neuen Schauplatz geführt, an dem es viele Details zu entdecken gibt. Den besonderen Blickfang auf den meisten Abbildungen stellt aber Herr Hummels Mantel dar, der stets neue Hinweise gibt: Aus allen Öffnungen lugt etwas hervor. Jenning baut ihr Bilderbuch auf diese Weise geschickt dramaturgisch aus, wodurch es auch kleinen Kindern möglich ist, peu à peu hinter des Rätsels Lösung zu kommen und den Protagonisten dabei immer einen Schritt voraus zu sein. So ist bald zu erahnen, dass der mysteriöse Mann unzählige Tiere unter seinem Mantel versteckt hält. Tatsächlich ist Herr Hummel nämlich Zoodirektor und nimmt seine Schützlinge täglich mit nach Hause.

Jeannette Jenning gestaltet ihr Buch in natürlichen, gedeckten Acrylfarben; auf großen Flächen herrschen beruhigende Grüntöne und warmes Ockergelb vor. Milchige, durch lasierende Schichtung hervorgerufene Farbverläufe und verwischte, weiche Konturen unterstützen das Geheimnisvolle der Geschichte. Ein vibrierender Pinselduktus sorgt für Lebendigkeit, jede Szene wird stimmungsvoll ausgeleuchtet. Vor den ideenreichen Hintergründen der einzelnen Schauplätze agieren freundlich gezeichnete Figuren: die pausbäckigen, stupsnäsigen Kinder mit ihren großen Augen, ein gutmütig dreinblickender Zoodirektor und arglos wirkende Tiere. Sorgfältig wird die Körpersprache der Kinder ausgearbeitet, ihr Gemisch aus detektivischem Gespür, kindlicher Neugier und vorsichtiger Zurückhaltung hervorgehoben: Wissbegierig verstecken sie sich hinter einer Litfasssäule, um Herrn Hummel heimlich zu beobachten; sie vergrößern ihre Ohrmuscheln mit den Händen, um die merkwürdigen Geräusche besser zu hören. Mit allen Sinnen sind sie bei der Sache.

Auffallend an Jeannette Jennings Bildern ist eine unwiderstehliche Nostalgie. Die Reklame auf der Litfasssäule oder die Schaufenster in den Straßen wirken wie aus vergangenen Zeiten, die Kinder spielen mit Springseil und einer beräderten Giraffenfigur. Doch das Buch ist nicht etwa antiquiert, weil es die Welt moderner Kinder außer Acht lässt. Im Gegenteil: Anstatt das Gewohnte vor Augen zu führen versetzt es den Betrachter in ein Szenario voller Ruhe und Harmonie. Durch liebevolle Illustrationen und eine eher konservative Erzählweise setzt es auf den zeitlosen Wert seiner Bildergeschichte.

Während seine Augen entdeckend über die Illustrationen wandern, erfährt das Kind Unterstützung durch den bewusst knapp gehaltenen Vorlesetext. Genug erzählen die Bilder, sodass ein Kindergartenkind die Geschichte auch durch das alleinige Betrachten erfassen könnte. So bedarf der alles aufklärende Blick auf das tierische Tohuwabohu in Herrn Hummels Wohnung sogar keinerlei textlicher Beschreibung; die Künstlerin verlässt sich ganz auf die Beobachtungsfreude des Kindes.

Jeannette Jenning, Absolventin der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg, legt mit „Der geheimnisvolle Mantel“ ihre Diplomarbeit vor. Dabei gelingt ihr mit einer scheinbar harmlosen Geschichte vom liebenswürdigen Zoodirektor ein hervorragendes Bilderbuch, das mit seinem reduzierten Vorlesetext die Kleinsten behutsam an das Lesen heranführt. Durch Herrn Hummels absurde Tierliebe werden dabei vorsichtig Stichworte wie Fürsorge und soziale Verantwortung angesprochen. Vor allem wegen der Detailliebe der Künstlerin lohnt sich auch das wiederholte Betrachten ihres Buches, was jedes Mal zu neuen Entdeckungen führen wird. Viele Eltern werden vermutlich in Zukunft zu hören bekommen: ‚Lies mir noch mal die Geschichte von Herrn Hummel vor!’ 

Bildprobe

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