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Green, John:
Eine wie Alaska
Aus dem Englischen von Sophie Zeitz
München: Hanser 2007
280 S.
€ 16,90
Jugendbuch ab 14 J.

Green, John: Eine wie Alaska

Eiskalter Engel

von Sonja Behrendt und Vanessa Zelissen (2007)

Der 16-jährige Miles ist nicht unbedingt der ‚Coolste’. Er ist introvertiert, lernt viel und schreibt gute Noten. Freunde hat er keine, abgesehen von dem „traurigen Haufen von Theatergruppenleuten und Englischstrebern“. Er liebt es, die Biografien berühmter Menschen zu lesen und deren letzte Worte zu sammeln. Frustriert von der Langeweile seines Heimatortes und genervt durch die Überbehütung seiner Eltern, entscheidet er sich dafür, den Rest seiner Schulzeit im Internat zu verbringen, um dort, wie der Dichter Rabelais, das „große Vielleicht“ zu suchen …

Dort angekommen, findet Miles sogleich Anschluss. Sein ausgeflippter Zimmergenosse Chip führt ihn ins Internatsleben ein, verpasst ihm einen Spitznamen und stellt ihn seinen Freunden Takumi und Alaska vor. Alaska, deren Name so ungewöhnlich und geheimnisvoll ist wie sie selbst, lässt Miles Herz augenblicklich höher schlagen. Das Mädchen, welches nach „Mädchenschweiß und Sonnenschein und Vanille“ riecht ist, nicht nur schön, sondern auch klug. Für ihn ist sie „das heißeste Wesen, das die Welt je gesehen hat“.

Doch Alaska kann nicht nur heiß, sondern auch verdammt kühl sein. Sie ist sich ihrer Wirkung auf Miles durchaus bewusst und findet oftmals Spaß daran, mit dem unerfahrenen Jungen und dessen Gefühlen zu spielen. Auch ist Alaska unberechenbar und aufbrausend wie ein „Hurrikan“, denn ihre Launen können sich schlagartig ändern: War sie gestern noch ein Mädchen, mit dem Miles prima reden konnte, spricht sie heute gar nicht erst mit ihm. Alaska hüllt sich gerne in Geheimnisse: Erst im ‚Suff’ erzählt sie ihren Freunden, dass sie als kleines Mädchen ihre Mutter verloren habe und sie sich immer noch schuldig fühle. Wie es wirklich in ihr aussieht, zeigt Alaska nur selten – meist versteckt sie ihre selbstzerstörerische Verletzlichkeit hinter einem Panzer aus Unnahbarkeit.

Die Tage vergehen, und Miles stellt fest, dass seine neuen Freunde genau wie er clever und belesen sind. Gemeinsam nutzen sie ihre Intelligenz vor allem dazu, die Regeln des Internats zu brechen oder sich Streiche für die verhassten „Tagestäter“ auszudenken. Die Warnungen seines Vaters „Keine Drogen. Kein Alkohol. Keine Zigaretten“ wirft der Teenager schnell über Bord. Zusammen mit seiner neuen Clique raucht und trinkt er in rauen Mengen und unternimmt nächtliche Ausflüge ... Der Einzelgänger erfährt etwas, was er bisher nicht kannte: Zugehörigkeit zu einer Gruppe, in der man bereit ist, alles für einander zu tun.

John Green verwendet in seinem Debütroman „Eine wie Alaska“ für seine Kapitelüberschriften eine ungewöhnliche ‚Zeitrechnung’. Wie bei einem Countdown werden die Tage bis zu einem bedeutenden Ereignis heruntergezählt. Durch den dramenähnlichen Aufbau erzeugt der Autor geschickt eine schier unerträgliche Spannung. Mit jeder Seite fiebert der Leser dem Höhepunkt – der ‚Katastrophe’ – entgegen und ist versucht, zum „letzten Tag“ vorzublättern, um endlich zu erfahren, was genau geschieht.

Genau dieser „letzte Tag“ markiert die Wendung im Roman: Miles glaubt, Alaska endlich für sich gewonnen zu haben, da sie ihm nun – natürlich total betrunken – den lange ersehnten Kuss gibt. Doch wie so oft flippt Alaska scheinbar grundlos aus. Fluchtartig will sie nachts das Internat verlassen und bittet Miles und Chip, ihr dabei zu helfen. Ohne zu überlegen und nachzufragen, sind die beiden dazu bereit. Aber Alaska kehrt nicht, wie erwartet, ins Internat zurück. In der Zeit „danach“ müssen sich die Trauernden mit dem Verlust, ihren Schuldgefühlen und der quälenden Ungewissheit auseinandersetzen. Gemeinsam machen sie sich daran, das Rätsel um Alaska zu lüften …

Mit witzigen, intelligenten und manchmal auch philosophischen Worten lässt John Green den Teenager Miles die Geschichte erzählen. Dieser jugendliche Sprachstil und die realistische Darstellung der Charaktere machen es dem Leser leicht, sich mit den Jugendlichen zu identifizieren und Empathie zu entwickeln. Der Inhalt des Romans erinnert zunächst an typisch amerikanische Teeniefilme – tatsächlich sicherte sich Paramount Pictures bereits die Rechte an einer Verfilmung. Jedoch verwendet Green nicht nur die Zutaten eines gewöhnlichen Jugendromans: Gekonnt verbindet der Autor Themen wie Freundschaft, die erste große Liebe und die Wandlung vom ‚Looser’ zum coolen Typen mit denen von Verlust, Trauer und Schuld. So entpuppt sich der Roman bald als mitreißendes Werk mit Tiefgang, was die ein oder andere ‚durchlesene’ Nacht zur Folge haben kann.

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