Leseprobe „Das Licht und die Geräusche “
Am letzten Abend lagen wir zusammen im Zelt, und plötzlich haben sich unsere Hände berührt. Dann haben sie sich nochmal berührt, und wir haben angefangen, unsere Hände zu streicheln. Vielleicht habe ich nicht gezittert, aber ich hatte das Gefühl, ich würde zittern, und dachte, dass das irgendwie peinlich ist, wenn Boris merkt, dass ich zittere, und habe mich ganz darauf konzentriert, nicht zu zittern. Ich glaube, das hat auch funktioniert, aber ganz sicher bin ich mir natürlich nicht. Und dann irgendwann, ich weiß nicht mehr, wie das genau kam, lagen wir beide auf der Seite, und unsere Gesichter waren so nah, dass ich seinen Atem spüren konnte. Der Atem von Boris roch leicht nach Bier, was ich aber nicht unangenehm fand. Unsere Nasenspitzen haben sich berührt, und vor Schreck hätte ich beinahe gezuckt, aber ich habe mich zusammengerissen. Und ich dachte, wenn wir uns jetzt nicht küssen, dann weiß ich auch nicht mehr.
Bis heute verstehe ich nicht, wie es dazu kommen konnte, dass wir uns nicht geküsst haben. Da fehlten wahrscheinlich nur drei Zentimeter oder so. Und ich dachte die ganze Zeit, dass ich ihn jetzt küssen muss, aber ich habe es nicht gemacht, und Boris hat es auch nicht gemacht, und irgendwann haben sich unsere Nasenspitzen dann nicht mehr berührt. Ich glaube, dass ich die ganze Nacht nicht geschlafen habe. Ich lag da mit aufgerissenen Augen, habe immer wieder den Kopf geschüttelt und mich von oben angeguckt, wie ich da unten liege und den Kopf schüttle. Da ist man so kurz vor dem Ziel, und dann vermasselt man es doch.