skip to content

expand:
Procházková, Iva:
Eulengesang
Weinheim u. a.: Beltz & Gelberg 1997
(Gulliver Zwei TB 772)
202 S.

Procházková, Iva: Eulengesang

Identitätssuche im 21. Jahrhundert

von Traudl Bünger (1998)

Armin ist 17 Jahre alt und auf der Suche nach sich selbst. Aber er lebt im Jahr 2046, wo es Identitätskrisen eigentlich nicht geben dürfte. Denn jeder Mensch hat seinen PCB (Persönlichen Computer Berater), der mit einem therapeutischen Programm bei der Alltagsbewältigung hilft. Sollte jemand trotz dieser professionellen Beratung unzufrieden sein, stehen ihm perfekt ausgebildete Fachkräfte zur Verfügung, wie z. B. die Assistentinnen im „Haus der sexuellen Harmonie“. Dennoch: Armin hat von jeher dieses komische Gefühl, über das er mit niemandem redet: „Als ob mir etwas fehlte. Etwas, das für andere vielleicht so selbstverständlich ist wie zwei Arme.“

Iva Procházková, die in Deutschland schon für Titel wie „Die Zeit der geheimen Wünsche“ oder „Der Sommer hat Eselsohren“ ausgezeichnet worden ist, kreiert mit viel Fantasie und Ironie eine Welt im 21. Jahrhundert, in dem Nähe und Wärme beinahe Fremdwörter geworden sind. Als Ursache dafür bemüht sie keine böse Macht, die die Menschen unterjocht: Der Fortschritt, der es zur Norm macht, das Leben ganz alleine zu bewältigen, reicht völlig aus. Armin und die Menschen in seiner Umgebung leben einsam nebeneinander her: Da ist Armins Schwester, die ständig isst und seltsame Witze erzählt, seine Mutter, die in einem schäbigen Bistro ihren künstlerischen Ambitionen nachtrauert, sein drogenabhängiger Freund, dessen einziger Vertrauter ein sterbenskranker Schäferhund ist.

Procházkovás Erzählweise ist modern, harmoniert mit den futuristischen Szenarien. Mitschnitte von Gesprächen, Beobachtungen, Gedanken und Erinnerungen des Ich-Erzählers Armin wechseln sich in variationsreicher Collagentechnik ab. Den Lesenden wird dabei durch die subjektive Sicht Armins und die unkommentierten Dialoge aus unterschiedlichen Perspektiven Einblick in die Psyche der Figuren ermöglicht. Dennoch wirkt die Struktur des Romans nie verwirrend, denn das gesamte Buch ist in Sinneinheiten gegliedert, und der Leser kann sich mithilfe von kurzen Überschriften orientieren.

Leseprobe