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Christian Frascella:
Sieben kleine Verdächtige. Roman
Aus dem Italienischen von Annette Kopetzki
Frankfurt a. M.: Frankfurter
Verlagsanstalt 2013
318 Seiten
€ 22,90, Kindle Edition: € 16,99
Jugendbuch ab 14

 

Frascella, Christian: Sieben kleine Verdächtige. Roman

Sieben kleine Verdächtige – viele große Probleme

von Sonja Dreymüller (2014)

Billo, Cecconi, Corda, Gorilla, Lonica, Fostelli und Raccani sind zwölf Jahre alt und eben in der italienischen Stadt Roccella. Die sieben Freunde haben jeder für sich mit den unterschiedlichsten Problemen zu kämpfen. So hat der eine einen krebskranken Vater, ein anderer wird ständig von seinem gewalttätigen und kriminellen Bruder verprügelt, und wieder ein anderer muss sich damit abfinden, dass sein Vater die Familie verlassen hat. Bis auf Corda, dessen Vater Rechtsanwalt ist, stammen alle Jungen aus ärmlichen Verhältnissen. Um diesen zu entkommen und ein besseres Leben führen zu können, fassen die Kinder einen gemeinsamen Plan: Sie wollen die Bank von Roccella ausrauben.

Damit ihr Plan funktionieren kann, muss sich zunächst ein Freiwilliger finden, der „Speckbacke“, die beleibte und wenig hübsche Tochter des Cafébesitzers, dazu bringt, sich in ihn zu verlieben. Nur so meinen die Jungen, an den Espresso kommen zu können, der den Wachmännern der Bank jeden Nachmittag von „Speckbacke“ serviert wird. Den Espresso wollen die Jungen nämlich mit einem Schlafmittel präparieren, um so ungestört ihren Banküberfall durchführen zu können. Aber wie entscheidet sich, wer sich um „Speckbacke“ kümmern muss? Die Lösung ist ein Wettrennen, dessen Verlierer wohl oder übel das Interesse der Tochter des Cafebesitzers auf sich ziehen muss.

Aber „Speckbacke“ scheint nicht das einzige Problem zu sein. Auch die Frage der Tarnung und der Bewaffnung muss geklärt werden, und dann taucht auch noch plötzlich der gefürchtete „Mexikaner“ wieder in Roccella auf, ein stadtbekannter Krimineller, der die Stadt vor Jahren wegen seiner Machenschaften hat verlassen müssen. Für die sieben Jungen wird es schließlich noch richtig gefährlich.

Der Banküberfall zieht sich wie eine Art roter Faden durch den gesamten Roman und führt zu einem ganz unerwarteten Höhepunkt des Buches. Dennoch nimmt dieses Inhaltsmoment nicht die gesamte Geschichte ein. Vielmehr sind es die vielen kleinen Episoden und Probleme aus dem Leben der einzelnen Protagonisten, die den Roman ausmachen und die die einzelnen Kapitel füllen. So erfährt man in dem einen Kapitel etwas über Lonica und seine Angst vor dem nächsten Boxkampf oder über Billos Leben mit seiner Mutter und seiner Großmutter (und ohne seinen Vater), und im nächsten Kapitel wird dann geschildert, wie sehr Gorilla unter den kriminellen Tätigkeiten seines großen Bruders Gorelli leidet. Dieser zwingt den Jungen, Drogen zu verkaufen, und bestraft ihn immer wieder auf brutale Weise. Es sind auch diese Kontraste zwischen Problemen aus der Welt der Kinder – wie zum Beispiel Billos Traum, ein Fußballstar zu werden – und denen der Erwachsenenwelt, wie z. B. die Kriminalität von Gorellis Bande, die den Roman mit Leben füllen.

Dem Leser wird es zu Beginn des Buches nicht immer leicht gemacht, die geschilderten Ereignisse und Lebensumstände den richtigen Protagonisten zuzuordnen, und so benötigt man ein wenig Zeit, bis man weiß, wer genau Corda ist und welches Leben Gorelli führt. Hat man jedoch einmal einen Überblick über die Geschehnisse gewonnen, ist man gefesselt und zugleich gerührt von den Erfahrungen, die die Jungen in ihren jungen Jahren schon machen müssen. Die einzelnen Lebensumstände und Belastungen, denen die Kinder innerhalb des Romans ausgesetzt sind, sind so genau dargestellt, dass beim Lesen sowohl Mitgefühl als auch die Frage geweckt wird, ob die Jungen es schaffen, sich aus ihren schwierigen Situationen zu befreien.

Christian Frascella setzt in seinem zweiten in Deutschland veröffentlichten Roman ein Italien der 1980er Jahre in Szene, das nichts mit romantisierenden Vorstellungen von „Bella Italia“ zu tun hat. Die Mafia, Kriminalität, Gewalt, kaputte Familien, Pädophilie, Zukunftslosigkeit und Armut – all das sind Themen, die in „Sieben kleine Verdächtige“ zur Sprache kommen und von Frascella, der selbst zu dieser Zeit aufgewachsen ist, mehr als genau in den Fokus gerückt werden. Als entlastender Gegenpol wirken häufig die Schilderungen der Streitigkeiten zwischen den Protagonisten. Diese Passagen sind so witzig und kurzweilig beschrieben, dass sie für einen großen Humorfaktor sorgen. Neben diesen heiteren Stellen stehen dann unter anderem die Geschichten über den „Mexikaner“, die für die nötige Spannung sorgen. So entsteht im Laufe des Romans immer wieder ein Wechsel zwischen amüsanten und spannenden Elementen, die es dem Leser nahezu unmöglich machen, das Buch aus der Hand zu legen.

Nachdem sein erstes Werk „ Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe“ sogar für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert wurde, waren die Erwartungen an Frascellas neuen Roman groß. Diesen Erwartungen ist der Autor, obwohl „Sieben kleine Verdächtige“ thematisch, erzählerisch und stilistisch ganze andere Saiten als der Vorgänger anschlägt, voll und ganz gerecht geworden. Frascella versteht es nicht nur, spannend zu erzählen und ernste Themen durchaus unterhaltsam zu präsentieren, sondern fesselt die Aufmerksamkeit des Lesers auch durch häufigen Perspektivenwechsel, der einmal eine Sicht von außen auf das Geschehen gewährt und dann wieder einen Blick auf die Wünsche und Träume der einzelnen Protagonisten zulässt.

Für Jugendliche ab 14, die schon einige Leseerfahrung gesammelt haben und somit sowohl dem Inhalt als auch dem an manchen Stellen komplizierten Aufbau des Romans folgen können, ist Frascellas neues Werk genauso zu empfehlen wie für erwachsene Leser.

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