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Jenny Valentine:
Kaputte Suppe
Aus dem Englischen von Klaus Fritz
München: DTV premium 2010
200 Seiten
€ 12,90
Ab 13 Jahren
Jugendbuch

Valentine, Jenny: Kaputte Suppe

Entwicklungsflüssigkeit oder Wie aus einem Negativ ein Positiv wird

von Daniela Anna Frickel (2010)

„Mir gehörte es nicht.“ Mit diesem die Neugier und Phantasie des Lesers anstachelnden Satz beginnt der in England für die Carnegie Medal und den Manchester Book Award nominierte Roman Kaputte Suppe von Jenny Valentine, die mit ihrem Debütroman Wer ist Violet Park (2009) bereits beachtliche Resonanz erfahren hat.

Das Leitmotiv bildet ein Negativ, das der sechzehnjährigen Rowan Clark vor die Füße fällt, von einem ihr fremden jungen Mann aufgehoben und ihr übergeben wird. Allmählich enthüllt sich, dass es sich bei dem zuerst dementierten Eigentum um ein zentrales Moment ihres vergangenen und gegenwärtigen Daseins handelt: Das Negativ bewahrt eine Fotografie ihres im Alter von 18 Jahren verstorbenen Bruders Jack auf und zeigt ihn in einem glücklichen Moment seines Lebens.

Rowan hatte zu dem kreativen, chaotischen, aber liebenswerten großen Bruder ein gutes Verhältnis. Doch als dieser auf einer Reise durch Europa in einem See auf mysteriöse Weise ertrinkt, verändert sich ihr Leben schlagartig, und aus der bewunderten Bruderfigur wird der Mensch, der mit seinem vielleicht risikofreudigen Verhalten die Familie in eine tiefe Krise gestürzt, „kaputte Suppe“ bereitet hat: Die Mutter befindet sich seitdem in einem apathischen Dämmerzustand, aus dem sie auch ihre beiden Töchter Rowan und Stroma nicht herausreißen können. Der Vater flüchtet vor der Situation in eine neue Beziehung, verliert den Kontakt zu seiner suizidgefährdeten Frau und den Kindern.

Der Roman erzählt vor diesem Hintergrund von der großen Verantwortung, die die sympathische und gedankenreiche Ich-Erzählerin Rowan in jener Lage pragmatisch und ohne Selbstmitleid für ihre sechsjährige Schwester Stroma übernimmt. Nahezu selbstlos steigt sie in die Elternrolle ein, verdrängt ihre eigenen Bedürfnisse, versucht, den Anschein des Normalen aufrecht zu erhalten, wobei sie die Zeit in der Schule als Erholung empfindet. In dieser Situation erhält sie mit dem zugefallenen Negativ einen ‚Wink des Himmels‘:

So entdeckt Rowan in dem Fremden, der ihr das heruntergefallene Negativ gab, einem ihrem Bruder ähnlichen Vagabunden aus New York, in den sie sich verliebt. Bee, ein zwei Jahre älteres Mädchen, dass die Szene mitbekommen hat und sie darauf anspricht, wird schnell zu ihrer Freundin. Sie lebt bei ihrem alleinerziehenden Vater und kümmert sich ähnlich intensiv wie Rowan um ihre kleine Schwester Sunny. Als Rowan allerdings entdeckt, dass Bee die gleiche Postkarte von Jack in einem Buch aufbewahrt wie die, die sie selbst als letztes Lebenszeichen in Händen hält, kommt Dynamik in die Geschichte, und das durch unbestimmte Vorausdeutungen schwelende Rätsel um Bee und ihre vermeintliche kleine Schwester gewinnt an Kontur.

Der überwiegend handlungsarme und stellenweise wie ein Prosagedicht anmutende Roman lebt vom Gedanken- und Wortreichtum der Ich-Erzählerin. Durch ihr erzählerisches Geschick, d. h. die in das Fortschreiten der Handlung eingewebten Rückgriffe, die Elemente aus Erinnerung und Gegenwart verdichten, wird ein Sog erzeugt, der den Leser festhält und mit zunehmender Spannung dem Höhepunkt entgegenführt: Der Suizidversuch der Mutter enthebt Rowan schließlich von der Last, die bis dahin allein auf ihren Schultern lag. Doch bildet erst die Auflösung um Bee und das Baby das Happy End, bei dem in romantischer Manier ein Kind zum Hoffnungsträger wird.

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