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Gunnel Linde:
Mit Jasper im Gepäck
Aus dem Schwedischen von Birgitta Kicherer
Illustrationen und Umschlag von Susanne Göhlich
Hildesheim: Gerstenberg 2010
160 Seiten
€ 12,95
Ab 7 Jahren
Illustriertes Kinderbuch

Linde, Gunnel (Text) und Susanne Göhlich (Illustration): Mit Jasper im Gepäck

Geheimnis auf vier Beinen

von Katharina Sisterhenn (2010)

Es gibt Kinder, die haben richtig großes Glück im Leben. So wie Annelie und Nicklas zum Beispiel. Die beiden elf und neun Jahre alten Geschwister haben nicht nur eine alleinstehende nette Tante, die sie zu einer Reise nach Kopenhagen einlädt, wo sie viele tolle Sachen mit ihnen unternimmt. Nein, Annelie und Nicklas haben sogar das große Glück, den zweiten Preis in der Zoolotterie zu gewinnen: ein echtes Zwergpony! Die Geschwister können es beide kaum glauben und freuen sich riesig über ihren Gewinn. Doch sofort stellt sich die Frage, wie sie ihren neuen Freund Jasper unbemerkt und hinter dem Rücken der Tante mit nach Hause nehmen können. Denn dass sie das Tier nicht behalten können, ist ihnen gewiss. So beginnt ein aufregendes Versteckspiel, bei dem Jasper vom Zoo in das Hotel geschmuggelt wird, dort erst einmal im Wandschrank unterkommt und schließlich mit den beiden Kindern die Rückreise nach Stockholm antritt. Und während die im Umgang mit Kindern völlig unerfahrene Tante tapfer die turbulente Reise mit ihrem Neffen und ihrer Nichte durchsteht und sich nur gelegentlich über die sich häufenden merkwürdigen Zwischenfälle wundert, haben die beiden Kinder alle Hände voll zu tun, um ihr Geheimnis auf vier Beinen in Sicherheit zu bringen.

Der Kinderroman „Mit Jasper im Gepäck“ erzählt eine sehr amüsante und spannende Geschichte, bei der der heimliche Ponytransport im Mittelpunkt steht. Die Komik des Buches ergibt sich dabei vor allem daraus, dass der allwissende Erzähler immer wieder durch die Augen der Kinder schaut. Auf diese Weise können die Leser direkt am Geheimnis der kleinen Helden, an ihren phantasievollen Einfällen und an ihrer kindlichen Logik teilhaben. So ist es für Nicklas und Annelie beispielsweise sonnenklar, dass Jasper übergangsweise im Koffer von Tante Tinne versteckt werden muss, um ihn so unbemerkt in den Zug nach Stockholm verfrachten zu können. Insbesondere die Überlegenheit der beiden Kinder gegenüber den als etwas verschroben und unbeholfen dargestellten Erwachsenen, die meinen, alles im Griff zu haben, und doch ahnungslos sind, macht die komische Wirkung dieses Kinderbuches aus. So muss man doch herzlich lachen, wenn Tante Tinne wieder einmal einen Brief an die Eltern daheim verfasst und notiert, dass die Reise wunderbar und ohne Komplikationen verlaufe, während die Geschwister unterdes eine heikle Situation nach der anderen mit Bravour meistern.

Darüber hinaus zeichnet sich die Erzählung durch die großzügige Verwendung von Wortwitz und Situationskomik aus, die nicht selten als Slapstick daherkommt. Immer wieder droht das Geheimnis von Annelie und Nicklas aufgedeckt zu werden. Und stets nur im letzten Moment schaffen es die beiden, dies zu verhindern. Daher müssen die Geschwister eng zusammenhalten, ihre Tante andauernd austricksen und sich haarsträubende Ausreden einfallen lassen. Kein Wunder also, wenn in der Geschichte von wiehernden Portiers im Wandschrank, rumsenden Staubsaugern oder verlorenen Kindern die Rede ist.

Neben der Komik tragen auch Spannung und das rasante Tempo, in dem die Geschichte erzählt wird, zu einer vergnüglichen Lektüre bei. Die einzelnen Stationen der Zugreise sowie die vielen aufregenden Erlebnisse rund um den Ponytransport folgen dabei sehr schnell aufeinander. Dem entspricht die Aufgliederung der Geschichte in viele kurze Kapitel, die jeweils mit einer den Inhalt vorausdeutenden Überschrift versehen sind. Zur besseren Orientierung findet sich darüber hinaus auf den Innenseiten des Buchdeckels eine Übersichtskarte von Skandinavien, auf der die Reiseroute von Kopenhagen nach Stockholm eingezeichnet ist.

Gunnel Linde – sie wurde erst kürzlich für ihr schriftstellerisches Gesamtwerk mit dem hochdotierten Astrid-Lindgren-Preis ausgezeichnet – hat „Jasper im Gepäck“ bereits Anfang der 1970er Jahre geschrieben. Dies merkt man dem Kinderroman durchaus an, ohne dass ihm dies irgendeinen Abbruch zufügte. Die Erzählsituation – ein auktorialer Erzähler nimmt die Kinderperspektive ein – ist ebenso traditionell wie das mitunter leicht verrätselnde, die Spannung noch steigernde vorausdeutende Erzählen, die Aneinanderreihung zahlreicher kurzer Augenblicksspannungen innerhalb eines überwölbenden großen Spannungsbogens, die Etablierung einer heiter-unbeschwerten Grundstimmung und eines Settings, das den Lesern eine rasche und problemlose Orientierung ermöglicht. Zu dieser hergebrachten Schreibweise gehört auch der Verzicht auf mehrschichtige oder gar ambivalente Charaktere, die Portionierung des Stoffes in kurze, überschaubare Lesehäppchen und die ungekünstelt-klare, keineswegs aber oberflächliche Sprache mit ihren kurzen und verständlichen Sätzen. Die vielfach ausgezeichnete Übersetzerin Birgitta Kicherer findet dafür auch im Deutschen den richtigen Ton.

Die treffenden, im Retrostil gehaltenen Illustrationen von Susanne Göhlich auf dem Cover und zu Beginn eines jeden Kapitels tragen zu einer einladenden Aufmachung des Buches bei. Dabei lassen die klaren Linien und rundlichen, freundlichen Formen die Bilder sehr liebevoll erscheinen. Genau wie die Schrift sind auch die Illustrationen in einem dunklen Blauton gehalten, der Lieblingsfarbe von Tante Tinne.

Insgesamt stellt das Kinderbuch „Mit Jasper im Gepäck“ eine sehr spannende und rasante Komödie dar, die sich sowohl zum Vorlesen als auch zum Selbstlesen für Kinder ab sieben Jahren eignet. Komik, Spannung und Tempo sind die tragenden Elemente der Erzählung, welche die Autorin geschickt mit einem traditionellen Erzählstil verbindet, der auch heute noch überzeugt. Doch nicht nur Kinder sind eingeladen, herzlich zu lachen und mitzufiebern. Auch Erwachsene werden beim Lesen der Geschichte schmunzeln müssen, wenn sie sich auf dieses kindliche Abenteuer einlassen.

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