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Neil Gaiman:
Der lächelnde Odd und die Reise nach Asgard
Aus dem amerikanischen Englisch von Andreas Steinhöfel
Illustriert von Brett Helquist
Würzburg: Arena 2010
115 Seiten
€ 9,95
Ab 8 Jahren
Kinderbuch

Gaiman, Neil (Text) und Brett Helquist (Illustration): Der lächelnde Odd und die Reise nach Asgard

Von Göttern und Eisriesen 

von Lilli Föhres (2010)

Der Wikingerjunge Odd hat für seine zwölf Jahre schon einiges mitgemacht, doch sein Lächeln verliert er trotzdem nie. Als er zehn war, kam sein Vater nach einem Raubzug ums Leben, bald darauf verstümmelte sich Odd bei einem Unfall im Wald das Bein, seitdem muss er mit einer Krücke gehen. Seine Mutter hat neu geheiratet, und Odd hat auf einen Schlag sieben Geschwister bekommen. „Elfred der Fette“ ist für Odd leider kein Vaterersatz, hat kaum Zeit für ihn und ist ein Raubein. Odd wirkt auf seine Mitmenschen merkwürdig und geht ihnen auf die Nerven. Denn trotz aller Schicksalsschläge umspielt seine Lippen immer ein Lächeln. Er passt nicht hinein in das wüste Wikingerleben, er ist ein naturverbundener Einzelgänger, der den Frühling und den Sommer liebt.

Doch in diesem März nehmen die grauen Wintertage kein Ende. Der von Odd herbeigesehnte Frühling lässt auf sich warten. Deshalb entschließt er sich, der dörflichen Tristesse und den Demütigungen der Dorfbewohner den Rücken zu kehren und in die alte Waldhütte seines Vaters zu ziehen. Hier beginnt die eigentliche Geschichte: Schon am ersten Tag bekommt Odd Besuch. Ein Fuchs, dem er neugierig folgt, führt ihn zu einem Bären, der auf misslungener Honigmission mit seiner Tatze in einem Baum feststeckt. Ein am Himmel kreisender Adler gehört auch zu der Gesellschaft. Nachdem Odd den Bären befreit hat, wandert die illustre Gruppe zur Waldhütte. Es stellt sich heraus, dass es sich bei den Tieren um keine Geringeren handelt als um die Götter Loki, Thor und Odin, die von einem Eisriesen in Tiergestalt verwandelt und aus ihrer Heimat Asgard vertrieben worden sind. Odd zählt eins und eins zusammen und begreift, dass dies der Grund ist, warum der Winter für immer anzudauern scheint. Zusammen machen der Junge und die Tiere sich auf die Reise, Asgard und die schöne Göttin Freya von dem Riesen zu befreien.

Gaiman schließt mit seiner Erzählung so konsequent an die nordische Mythologie an, dass Odds Abenteuer als direkte Fortsetzung eines der nordischen Götterlieder aus der „Edda“ gelesen werden können. Alle zentralen Figuren der Geschichte haben in dieser Mythologie ihren Ursprung, alle entsprechen den Eigenschaften, die wir aus den nordischen Sagen kennen – nur der invalide Junge als Held entstammt allein Gaimans Phantasie.

Die Figur des Odd besticht gerade durch ihre Unbekümmertheit und ihren Mut. Nichts scheint dem Jungen Angst zu machen, und wenn doch, so sieht man es ihm nicht an. An seine Außenseiterposition hat er sich angepasst, und da er alles hinter sich gelassen hat, hat er auch nichts zu verlieren. Körperliche Unterlegenheit ist er gewohnt, weshalb er sich von dem Eisriesen nicht einschüchtern lässt. Die Botschaft sickert durch, dass auch die Schwachen große Hindernisse zu meistern wissen und Cleverness körperlicher Stärke überlegen sein kann. In einem ironischen, zuweilen sarkastischen Ton, mit viel Witz und Leichtigkeit bestreiten die Weggefährten ihr Abenteuer. Bleiben die Götter auf ihre Rollen beschränkt, die der Erzähler ihnen zuweist, so darf Odd am Ende der Geschichte innerlich wie äußerlich wachsen, mit einem echten Lächeln, das nicht nur zum Schutze dient.

Brett Helquist hat zu jedem Kapitel eine eingerahmte sepiafarbene Illustration beigesteuert und unter die Kapitelüberschriften Vignetten gesetzt, die mit keltischem Knoten verziert sind. Die Zeichnungen unterstützen die Phantasie der jungen Leser, lassen ihr aber auch ihren eigenen Lauf, wenn zum Beispiel entsprechende Bebilderungen fehlen, wenn die Protagonisten über die Regenbogenbrücke durch einen bunten, glitzernden Fleck in einem Eisklumpen nach Asgard reisen.

Der Verlag empfiehlt ein Lesealter von zehn bis elf Jahren, doch kann man Gaimans Abenteuergeschichte sowohl Leseanfängern – nicht nur wegen des großzügigen Schriftbildes – als auch geübten Lesern problemlos empfehlen, und auch als Vorlesebuch eignet sie sich wunderbar. Hier gilt die Devise: Je älter der Leser, desto höher die Möglichkeit, in die Tiefen der Erzählung vordringen zu können.

Die Geschichte von Odd fängt mit den berühmten drei Worten eines jeden Märchens an und enthält doch alle Zutaten einer klassischen nordischen Sage – ein spannendes Buch, das Vertrauen in die eigene Stärke weckt.

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