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Titelbild
Jan de Leeuw:
Schrödinger, Dr. Linda und eine Leiche im Kühlhaus
Aus dem Niederländischen von Rolf Erdorf
Hildesheim: Gerstenberg 2010
126 Seiten
€ 12,90
Ab 14 Jahren
Jugendbuch

de Leeuw, Jan: Schrödinger, Dr. Linda und eine Leiche im Kühlhaus

Von Liebe, Leichen und Leserbriefen

von Dominik Perz und Stephanie Koenen (2010)

Schrödinger: die Katze der Familie. Dr. Linda: die Mutter, eine Spezialistin für gebrochene Herzen, die in ihrer Zeitungskolumne Ratschläge in Sachen Liebe gibt. Eine Leiche im Kühlhaus: ebendiese Mutter, von ihrem Sohn dort deponiert. Der verrückte Titel des Jugendbuches „Schrödinger, Dr. Linda und eine Leiche im Kühlhaus“ lässt bereits zu Beginn des Buches die Fülle an Skurrilität erahnen, die diese Geschichte für den Leser bereithält.

Jonas, etwa 15 Jahre alt, befindet sich in einer Situation, in der kaum jemand einen kühlen Kopf bewahren könnte: Er findet seine tote Mutter, die sich mittels Tabletten das Leben genommen hat. Der Vater kann ihm nicht helfen, da er sich von einem Metzger zu einem Extrem-Vegetarier gewandelt hat und stationär in der Psychiatrie behandelt wird. Und dann ist da noch Jonas’ Schwester Sarah, die sich bereits auf eine riesengroße Party anlässlich ihres neunten Geburtstages freut.

Was ist zu tun? Wie kann Jonas verhindern, dass Sarah und er in einem Kinderheim untergebracht werden, und wie kann er seine Schwester vor den tragischen Ereignissen schützen?

Ganz klar: Statt einen Krankenwagen oder die Polizei zu rufen, wird die Leiche der Mutter im Kühlhaus des ehemaligen Metzgereibetriebs gelagert, und nach außen hin bleibt alles wie gehabt. Wäre da nicht die neugierige Nachbarin Frau Ernestine, die tagtäglich mit ihrem Hund César ums Haus schleicht. Sie hat bereits gemerkt, dass etwas in dem Haus nicht mit rechten Dingen zugeht.

Doch das Problem, wie es mit dem Leichnam seiner Mutter weitergehen soll, bleibt nicht Jonas einziges. Die Redaktion der Mutter drängt auf die ausstehenden Artikel, also beginnt er, die eingehenden Leserbriefe in Dr. Lindas Namen zu beantworten. So lernt er Heleen kennen, 16 Jahre alt, die sich nach Liebe sehnt, aber meint, nichts fühlen zu können. Sie bleibt die Einzige, der Jonas einen Einblick in sein chaotisches Familienleben gewährt. Jonas und Heleen schmieden einen verrückten und halsbrecherischen Plan, um die vertrackte Situation zu lösen. Dabei entwickeln sich erste Gefühle zwischen den beiden, doch Heleens zögerliche und kühle Art macht es Jonas nicht leicht. Werden die beiden zueinander finden? Und wo bleibt schließlich die Leiche?

„Schrödinger, Dr. Linda und eine Leiche im Kühlhaus“ ist in einem facettenreichen und schnellen Stil geschrieben. Ein Erzähler führt den Leser durch die teils sehr knappen Kapitel. In vier Abschnitten wendet sich die Hauptfigur Jonas direkt an den Leser, und auch Briefe an Dr. Linda finden sich wieder. So wird das Geschehen von verschiedenen Stimmen geschildert.

Das Buch lebt von komischen, aber auch von tragischen Momenten, die nicht selten bis ins Groteske gesteigert sind. So trifft man auf Goldfische, die im Planschbecken im Wohnzimmer ihre Runden drehen, und auf eine gefrorene Leiche auf Inline-Skates. De Leeuw schafft es, die Geschichte zweier Jugendlicher auf dem Weg zum Erwachsenwerden einmal ganz anders darzustellen. Mit Hilfe seines absurden Humors überzeichnet er die eingefangenen Szenen aus Jonas Leben derart, dass kein Platz für die typischen Probleme bleibt, die man beim Lesen eines Coming-of-Age-Romans erwarten würde.

Das Buch unterhält den Leser auf außergewöhnliche Art und Weise, bietet aber auch genug Raum zum Nachdenken und Schmunzeln.

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