Sammelrezension „Die 'Paul'-Bücher von Nina Schindler“
Schindler, Nina: Und wo bleib ich? / Bruder zu verschenken / Väter und Sohn
Drei Väter und ein Baby
von Dorothee Schlücker (2001)
„Paul!“ Mit diesem eindringlichen Ruf beginnt jeder der drei Bände über den Jungen Paul, der uns aus seiner Sicht schildert, was er in puncto Familie so alles erdulden muss. – Eigentlich kamen Paul und Uschi immer wunderbar miteinander aus, aber seit Uschi Bernd (das „Froschmaul“) angeschleppt hat, ist die Mutter-Sohn-Idylle gewaltig gestört. Nicht genug, dass die gemütlichen „Muffelfrühstücke“ und gemeinsamen Fernsehabende nun flachfallen – Paul ist sich auf einmal der Liebe seiner Mutter gar nicht mehr so sicher! Trost findet er bei seiner Freundin und Leidensgenossin Riki, die seit der Geburt ihres kleinen Bruders ebenfalls unter der Nichtbeachtung ihrer Eltern zu leiden hat. Um die elterliche Vernachlässigung zu strafen, beschließen sie, zu Pauls Vater nach Amerika auszuwandern ...
Kaum hat sich Paul an die neue Familiensituation gewöhnt, bahnt sich die nächste Katastrophe an: Uschi und Bernd bekommen ein Kind und wollen heiraten! Paul fühlt sich ausgeschlossen und das ganze Baby-Getue geht ihm mächtig auf die Nerven. Zum Glück erhält er wieder fachkundige Unterstützung von Riki und merkt schließlich, dass es auch ganz schön sein kann, der „Große“ zu sein.
Für neue Gefühlsturbulenzen sorgt im dritten Band eine Reise nach New York, wo Paul endlich seinen leiblichen Vater Ben kennen lernen soll. Dass der schwul ist und mit seinem schwarzen Freund Chuck zusammenlebt, erfährt er erst, als er schon dort ist. Es braucht eine Menge Zeit und einen großen Streit zwischen Ben und Chuck, bis Vater und Sohn sich näher kommen.
Verständlich und einfühlsam schildert Nina Schindler die Nöte eines Kindes, das sich plötzlich in völlig neuen Familiensituationen zurechtfinden muss. Ob es der Wunsch war, eine möglichst breite Palette möglicher Familien aufzuzeigen oder ein Anfall von politischer Korrektheit, der die Autorin veranlasst hat, ihren Helden mit einem schwulen Vater (und obendrein noch mit dessen farbigem Freund) zu konfrontieren, lässt sich nur vermuten. Umso erfreulicher ist es, dass die vorsichtige Annäherung von Vater und Sohn trotzdem im Vordergrund steht. Der jugendsprachliche Ton wirkt zwar manchmal etwas aufgesetzt, aber die lebendige und humorvolle Art, in der der Ich-Erzähler von seinen Leiden berichtet, macht die Geschichten zu unterhaltsamem Lesefutter. Anteil daran haben sicher auch die zahlreichen ironischen Aquarellzeichnungen von Christiane Pieper, mit denen sie die Stimmung der Bücher einfängt und darstellt, was ,zwischen den Zeilen’ steht.