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Green, John:
Das Schicksal ist ein mieser Verräter
Aus dem Englischen von Sophie Zeitz
München: Hanser 2012
285 Seiten
€ 16,90
E-Book € 12,99
Jugendbuch ab 14 Jahren

Green, John: Das Schicksal ist ein mieser Verräter

Narben hinterlassen

von Robert Klessing (2013)

„Krebsbücher sind doof“, sagt Hazel. Sie hat Krebs, Schilddrüsenkrebs mit Metastasen in der Lunge. Um Krebs geht es zwar auch in John Greens Roman „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ – vor allem aber wird die humorvolle, philosophische und bewegende Liebesgeschichte einer 16-Jährigen und ihres gleichfalls krebskranken Freundes Gus erzählt.

In ihrer Selbsthilfegruppe lernt Hazel den umwerfend gut aussehenden Augustus Waters kennen. Zunächst distanziert, aber auch fasziniert, nähern sich die beiden Jugendlichen einander an und tasten sich langsam, aber mit unaufhaltsamer Kraft aufeinander zu: „Während er las, verliebte ich mich in ihn, so wie man in den Schlaf gleitet: langsam zuerst und dann rettungslos.“

Ihre Liebe scheint durch die Krankheit einerseits frei von konventionellen Zwängen zu sein, wird aber andererseits auch stark beschränkt. Während andere Jugendliche Basketball spielen und shoppen, gehen die Krebspatienten zu ihren Behandlungen und treffen sich in der Selbsthilfegruppe, um mit ihren körperlichen Einschränkungen leben zu lernen: Hazel braucht ihre Sauerstoffflasche, Gus hat ein amputiertes Bein und der gemeinsame Freund Isaac ist im Begriff, auch noch sein zweites Auge zu verlieren. In all dieser Beschränktheit kämpfen die jugendlichen Protagonisten um Liebe und Unabhängigkeit. Sie erleben jeden Moment ihres gemeinsamen Weges bewusst und intensiv.

Während Gus getrieben ist von der Suche nach der Bedeutung seines Lebens, von dem Wunsch, Spuren für die Nachwelt zu hinterlassen, hat sich Hazel von den Menschen zurückgezogen: „Ich bin eine Bombe, und irgendwann gehe ich hoch, und ich würde die Zahl der Opfer durch Kollateralschäden gern minimieren.“ Augustus erkennt diese Haltung seiner Freundin an, obwohl er selbst anderer Meinung ist, und schreibt auch am Ende des Buches in einem Brief: „Hazel geht leicht. Vielleicht finden es manche schade, dass sie weniger Narben hinterlässt, dass sich weniger Leute an sie erinnern, dass sie zwar tief geliebt wurde, aber nicht von vielen. Aber es ist nicht traurig [...]. Es ist ein Triumph.“

Die Liebe zu Augustus unterläuft jedoch Hazels Abschirmung. Auf einmal ist sie es selbst, die akzeptieren lernt, dass man Narben hinterlassen darf. Hazel mit der schlechten Prognose und dem mit Medikamenten gestreckten Leben, die dem Tod so nah war und bleibt, die niemanden an sich binden möchte – sie ist es, die sich unvermittelt in einer ungewohnte Rollen wiederfindet: Nun liebt sie und wird geliebt, doch ihre große Liebe hat auch Krebs.

Hazels Lieblingsbuch über ein krebskrankes Mädchen, „Ein herrschaftliches Leiden“, und dessen Autor Peter van Houten spielen eine tragende Rolle in Greens Roman. Jenes Buch hat ein abruptes Ende, welches viele Fragen offenlässt: Hazel interessiert sich insbesondere dafür, wie die einzelnen Charaktere nach dem Tode der Protagonistin weiterleben; die Analogie zum Schicksal ihren eigenen Eltern ist augenfällig. Gus, der auf Hazels Wunsch hin das Buch ebenfalls liest, erfüllt ihren Herzenswunsch: Sie fliegen zusammen nach Europa, damit van Houten persönlich Fragen über das Nach-Leben der Charaktere des Buches beantwortet. Doch „das Leben ist keine Wunscherfüllungsmaschine“, wie sich in Amsterdam bald zeigt.

Die Größe von John Greens Roman liegt in der pointierten, sarkastischen und ergreifenden Schilderung der Liebesgeschichte zweier Jugendlicher. Und so trifft er mit seinem federleicht geschriebenen Bestseller auch mitten ins Herz. Er vermeidet jegliche Banalität und durchbricht jedes sentimentale Klischee, das man als Leser eines „Krebsbuches“ vielleicht im Kopf hat. In einem Moment lacht man noch über die scharfzüngigen Dialoge, während einem im nächsten Moment Tränen in die Augen schießen. An jeder Stelle empfindet man die Tiefe der Charaktere, die Intensität ihrer Gefühle. Charmant-ironisch und selbstkritisch gewährt uns die Ich-Erzählerin Hazel Einblicke in ihr so untypisches Teenagerleben. Dabei bleibt dem Leser trotz der Ich-Form viel Raum für eigene Gedanken, da viele Szenen auch ohne Innensicht der Protagonistin erzählt werden.

John Green leitet den Leser nicht an, er suggeriert nicht, er belehrt nicht – John Green erzählt. Brillant und messerscharf sind Hazels Gedanken, witzig und abgründig die Dialoge. Dabei gebührt auch der Übersetzerin, Sophie Zeitz, Anerkennung; so ist beispielsweise „die Frühstückisierung des Rühreis“ einer der herrlich komponierten Ausdrücke, der dem Buch eine eigene Qualität verleiht.

Die Sprache des Buches ist so leicht, wie Hazel durch das Leben gehen möchte – immer ehrlich, beinahe sachlich, und selbst in den zutiefst traurigen Momenten nie sentimental, sondern frisch und authentisch. Beständig durchbrechen Hazel, Augustus und auch Isaac politische Korrektheiten mit rabenschwarzen Humor: „Seit du blind bist, bin ich extrem schön geworden.“ Geschliffene Liebeserklärungen („Du bist so vertieft darin, du zu sein, dass du keine Ahnung hast, wie absolut nie da gewesen du bist.“) wechseln sich mit trockenem Sarkasmus ab: „Ich meine, im Krebsgeschäft geht es um Wachstum, oder? Und ständig gibt es feindliche Übernahmen bei Leuten.“

John Green hat mit „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ ein hinreißend komisches, zutiefst bewegendes und ehrliches Werk für Jugendliche und Erwachsene auf den Büchermarkt gebracht. Hazel hat das erreicht, was sie eigentlich um jeden Preis verhindern wollte: Ihre Erzählung hinterlässt eine Narbe – tief in der Seele des Lesers. Aber Gus findet für diesen Schmerz, wenn auch in einem anderen Zusammenhang, die richtigen Worte: „Man kann sich nicht aussuchen, ob man verletzt wird auf dieser Welt, [...] aber man kann ein bisschen mitbestimmen, von wem. Ich bin glücklich mit meiner Wahl. Ich hoffe, sie auch.“ Und Hazel gibt uns die Antwort vor: „Ich auch, Augustus. Ich auch.“

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