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Titelbild
Zoran Drvenkar:
Die tollkühnen Abenteuer von JanBenMax
Illustrationen von Christine Schwarz
München: cbj 2013
363 Seiten
€ 12,99
E-Book: € 9,99
Illustriertes Kinderbuch ab 8 Jahren

Drvenkar, Zoran (Text) und Christine Schwarz (Illustration): Die tollkühnen Abenteuer von JanBenMax

Jungen, die Geschichten durcheinanderbringen

von Katrin Schröder (2013)


Mitten in der Nacht klopfen Jan, Ben und Max an die Terrassentür ihrer Eltern. Drei Tage waren die Brüder spurlos verschwunden, und nun wollen sie nicht so recht mit der Sprache herausrücken, wo sie denn gewesen sind. Allein ihrem Patenonkel, einem Schriftsteller, erzählen sie ihre haarsträubende Geschichte. Der wiederum kann kaum glauben, was er hört, und macht sich gleich daran, die Geschichte von „JanBenMax“ niederzuschreiben.

Die Handlungsorte gleich mehrerer literarischer Werke haben die drei Jungen in den Tagen ihres Verschwindens bereist – die von Barries „Peter Pan“, von Münchhausens Lügenschichte um seine Wette mit dem Sultan, von Andersens „Schneekönigin“ und Grimms „Frau Trude“ sowie schließlich von einem Märchenroman, den Zoran Drvenkar selbst verfasst hat: „Der einzige Vogel, der die Kälte nicht fürchtet“.

Zunächst bringt ein Zauberfahrstuhl die drei Jungen in das Niemalsland, wo sie auf Peter Pan treffen. Der entpuppt sich als ziemlicher Angeber, und auf keinen Fall duldet er einen anderen Hauptmann neben sich – schon gar keinen vorlauten Vierjährigen. Aber Max kann sich nicht zurückhalten und übernimmt immer wieder das Kommando. Als JanBenMax dann in die Gefangenschaft von Kapitän Hook und seinen Piraten geraten, sind sie auf sich alleine gestellt. Doch der schlaue Ben kann die Piraten überlisten und mit der Hilfe der Fee Tink können die Jungen schließlich entkommen. Dummerweise kommt ihnen dabei aber der Fahrstuhl abhanden.

Sie landen auf einer Wiese inmitten einiger Bäume, kurz entfernt von einem schlafenden Mann. Aus Versehen zerbricht Max eine Weinflasche, die neben dem Schlafenden im Gras liegt – und schon sind die Jungen mitten in der nächsten Geschichte. Der Mann packt sich die Jungen und läuft mit ihnen in Windeseile von Belgrad bis nach Konstantinopel – mitten hinein in eine Lügengeschichte, und so finden sich die drei bald in der Gesellschaft des Barons von Münchhausen wieder. Wegen der zerbrochenen Weinflasche verliert dieser eine Wette gegen den Sultan, wird zusammen mit den drei Brüdern in einen Kerker gesperrt und soll am nächsten Tag geköpft werden. Bis plötzlich ein Elefant in der Zelle steht und die Mauern zum Einsturz bringt, so dass alle mit dem freiherrlichen Schiff zum Nordpol fliehen können, überstürzen sich die Ereignisse, bei denen der Tod in Gestalt eines jungen Mädchens und ein kleiner Troll nicht die geringsten Rollen spielen.

Als JanBenMax im hohen Norden auf das prächtige Schloss der Schneekönigin stoßen, verbannt diese die Brüder auf eine Eisinsel, die von Milliarden von Eisschollen umgeben ist. Den Jungen gelingt es zwar zu entkommen, doch sie geraten vom Regen in die Traufe, landen sie doch geradewegs bei der Frau Trude, einer grausamen Hexe, die gerade dabei ist, ein kleines Mädchen in ein Holzscheit zu verwandeln. Eine wilde Verfolgungsjagd beginnt, an deren Ende die Hexe JanBenMax aber doch aufspürt und sie an den Ort ihrer größten Ängste verbannt – in Kälte und Dunkelheit.

Ihre letze Reise führt die Jungen so an einen Ort, wo immer Eis und Schnee herrscht. Der Vogel, der die Kälte nicht fürchtet, hat den Winter als Geisel genommen. Zum Glück kennen JanBenMax aber auch diese Geschichte, und da es in dieser Welt einen Fahrstuhl gibt, fällt ihnen nun auch endlich eine Lösung ein, wie sie nach Hause zurückkehren können.

„Die tollkühne Rückkehr von JanBenMax“ ist die Fortsetzung der „Tollkühnen Abenteuer von JanBenMax“ (2008, bei Bloomsbury erschienen). Der preisgekrönte Autor Zoran Drvenkar versteht es, mit überbordender Fantasie und übermütigem Witz bekannte und weniger bekannte literarische Werke und Geschichten miteinander zu kombinieren und sie von JanBenMax erfolgreich durcheinanderwirbeln zu lassen. Und so stiften die drei Jungen in allen Geschichten ein herrliches Chaos: Sei es, dass der Baron plötzlich die Wette verliert, die er laut Original eigentlich gewinnen sollte, oder dass Peter Pan sich aus Prinzip nicht so verhält, wie Jan (der die literarische Vorlage kennt) es ihm vorschlägt. Die Schneekönigin wiederum hat schon von den Brüdern gehört und nur darauf gewartet, dass diese sie besuchen. Sie erklärt den Jungs, dass das Gegenteil von Vernunft Geschichten seien – und eben dieser Unvernunft bedient sich auch der Autor.

Zoran Drvenkar überschreitet so manche literarische Grenze: Der besagte Patenonkel, der die Abenteuer der Jungen erzählt, ist just ein verrückter Geschichtenschreiber, der auf den Namen Zoran hört – Autor und Erzähler verschmelzen hier in einer Person. Doch eigentlich weiß man nie so genau, wer hier eigentlich wem die Geschichte erzählt. Der Ich-Erzähler Drvenkar führt die Adressaten an die literarischen Vorlagen heran, erklärt und gibt Hintergrundinformationen. Grimms Märchen „Frau Trude“ gibt er beinahe im Wortlaut wieder. Gleichzeitig weiß der Erzähler aber auch über solche Geschehnisse Bescheid, die ihm eigentlich nicht bekannt sein dürften, immerhin schreibt er ja eigentlich nur das auf, was er selbst gerade von JanBenMax erzählt bekommen hat. So erscheint er mal als allwissend, dann wieder ist seine Erzählung an die der Jungen gebunden. Doch an solchen Widersprüchen stört man sich als Leser genauso wenig wie an der Tatsache, dass JanBenMax für nur drei Tage verschwunden sind, doch schon alleine am Nordpol sechs Tage verbringen. Im Gegenteil, gerade die logischen Brüche verleihen dem Buch einen besonderen Reiz. Ein Pinguin aus einer der Geschichten reist mit den Brüdern nach Hause und versteckt sich dort im Schrank. Jeder Leser weiß, dass dies unmöglich ist, und doch nimmt man auch solche ‚Kurzschlüsse‘ mit Freuden an.

Drvenkar hat dabei keine Berührungsängste, auch erfrischend ‚respektlos‘ mit seinen Vorlagen umzugehen. Ein frecher, aber dennoch liebevoller Umgang trägt einen großen Teil zum Humor des Romans bei. So entkommen JanBenMax beispielsweise den Piraten, weil Max Kapitän Hook auf den Kopf „pinkelt“, im Schloss der Schneekönigin sind Kay und Gerda so überwältigt, sich wiedergefunden zu haben, dass sie die drei Brüder glatt vergessen. Und als der Vogel, der die Kälte nicht fürchtet, für seine Dienste bezahlt werden möchte, können ihm die Brüder glaubhaft versichern, dass Murmeln viel mehr Wert seien als Geld. Ähnlich gibt es viele lustige Situationen, bei denen man laut auflachen wird. Situationskomik, humorvolle Dialoge, ein hohes Tempo und ein charmantes Figureninventar machen das immerhin 363 Seiten starke Werk (das sind 200 Seiten mehr als der Vorgängerband!) zu einem kurzweiligen Lesevergnügen.

Die drei Brüder erscheinen als echte ‚Kerle‘. In ihren Abenteuern lassen sie sich Tattoos stechen, trinken Honigmet und überwinden sogar den Tod – dabei sind sie eigentlich gerade einmal vier, sechs und acht Jahre alt. Gleichwohl werden sie nach ihrer Rückkehr zu Hause altersentsprechend behandelt, trinken heißen Kakao und werden von ihren Eltern umsorgt. Bei der Einführung des Niemalslandes sagt der Erzähler „Es gibt Länder, die gibt es nicht wirklich […]. Diese Länder leben nur in den Köpfen von Kindern.“ Dass es sich aber keinesfalls um eine reine Traumreise handeln kann, wird zumindest der Mutter der Jungen klar, als sie vergeblich versucht, ihrem Vierjährigen die Tätowierung abzuwaschen.

Die farbigen Illustrationen von Christine Schwarz, die schon die Bilder zum Vorgängerband beigesteuert hat, konzentrieren sich auf die Figuren des Romans. JanBenMax sind dabei nur auf dem Titelbild zu sehen. Detailliert und schlicht und ohne Hintergrund werden die Bilder in den Text eingebracht. Besonders aussagekräftig ist die Darstellung des Barons von Münchhausen: Der malt sich selber. Auch hier wird auf den spielerischen und unkonventionellen Umgang des Buches verwiesen: Es ist eben alles möglich.

Ständig wird der Leser vom Erzähler direkt angesprochen, und man fühlt sich quasi, als wäre man unmittelbar dabei – ein Eindruck, der auch durch die durchgehend präsentische Erzählweise unterstützt wird. Immer wieder entstehen Spannungsmomente: Situationen werden derart übertrieben, dass ein Entkommen der Jungen nahezu unmöglich scheint. Die Verfolgungsjagd von Frau Trude und den Brüdern wird beispielsweise so detailliert erzählt, dass man beim Lesen nahezu das Bedürfnis hat, mit wegzurennen. Es gibt unzählige turbulente, spannende Ereignisse, in denen man sich den Jungs ganz nahe fühlt und die dem Leser kaum eine Verschnaufpause lassen – gäbe es da nicht die kurzen Kapitel, die wieder in der Gegenwart spielen, in der JanBenMax ihre Geschichte erzählen.

Zoran Drvenkar hat mit „Die tollkühne Rückkehr von JanBenMax“ einen Kinderroman erschaffen, der seine Leser in den Bann ziehen wird. Vor allem die herausfordernde und unkonventionelle Erzählanlage macht dieses turbulente Abenteuer zu etwas ganz Besonderem.

 

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