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Begag, Azouz:
Aber die Erde ist rund
Aus dem Französischen von Ruth Subjetzki
Mit Illustrationen von Catherine Louis.
Weinheim u. a.: Beltz & Gelberg 1999
(Gulliver TB 157)
48 S.

Begag, Azouz (Text) und Catherine Louis (Illustration): Aber die Erde ist rund

Geburt eines kritischen Geistes

von Silke Lipgens (1999) 

„Papa, die Erde ist rund, sie dreht sich, um sich selbst und gleichzeitig auch um die Sonne“, berichtet der Sohn aufgeregt, als er aus der Schule kommt. Der Vater, ein gläubiger Moslem, reagiert wütend: „In der Schule lehrt man euch Schlechtes. Das ist gefährlich. [...] Sie ist eine Scheibe. Sie ist flach.“ Für den Jungen stellt sich jetzt die Frage, was wahr und was falsch ist. Beide Standpunkte werden Wortwitz, Wortspielereien und Situationskomik verdeutlicht. So findet Vater, „dass es manchmal intelligenter mache, Ziegen und Schafe zu hüten, als zu lange zur Schule zu gehen. Denn so bleibe man mit beiden Beinen auf der Erde“. Er ist stolz auf sein „einfaches Wissen“, das er sich als Hirtenjunge in seinem Heimatdorf in Nordafrika angeeignet hat: Die Erde ist eine Scheibe, die von Göttern gehalten wird.

In Azouz Begags Kinderbuch „Aber die Erde ist rund“ stoßen die strikte Gläubigkeit der moslemischen Tradition und die Aufgeschlossenheit der naturwissenschaftlich geprägten westlichen Welt aufeinander. Der Junge bewegt sich in diesem Spannungsfeld, hinterfragt dabei engagiert die ‚Theorien’ des Vaters und des Lehrers und versucht, eigene Erklärungen zu finden.

Die humorvolle, aus der Sicht des Jungen geschriebene Ich-Erzählung hat autobiografische Züge. Der Autor ist selbst als Sohn von algerischen Immigranten in Frankreich aufgewachsen, wie er es auch in seinem Kinderroman „Azouz, der Junge vom Stadtrand“ beschreibt. Mit gefühlvoller und bildreicher Sprache stellt er die Liebe zwischen Vater und Sohn dar. Wenn der Vater „rot vor Wut, blau vor Ärger oder grün vor Müdigkeit“ ist, weiß der Junge genau, wie er ihn aufheitern kann: „Ich zeichne ihm ein riesiges Lächeln, ganz hinten in meinen großen runden Augen, und dann weiß er nicht mehr, welche Farbe er gerade hat.“

Die in einigen Details überdimensionalen Schwarz-Weiß-Zeichnungen von Catherine Louis kommentieren den Text ironisch und regen so zum Nachdenken an. – Das Ende der Geschichte bleibt zwar offen, doch dem Leser ist klar, dass der Junge „seine Wahrheit“ gefunden hat und gleichzeitig die „Wahrheit des Vaters“ akzeptiert. „Aber die Erde ist rund“ ist ein 1993 mit dem Europäischen Kinderbuchpreis ausgezeichneter Lesespaß für alle, die die „Geburt eines kritischen Geistes“ miterleben wollen.

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