skip to content

expand:
Edelfeldt, Inger:
Jim im Spiegel
Aus dem Schwedischen von Birgitta Kicherer
Ravensburg: Ravensburger 1998
(RTB Reality 8054)
(Erstausgabe 1985)
224 S.

Edelfeldt, Inger: Jim im Spiegel

Das geheime Herz

von Nicole Daniel und Andrea Schmalen (1999)

Jim ist eigentlich ein ganz unauffälliger 14-Jähriger – vielleicht etwas schüchterner und ängstlicher als seine Altersgenossen. Er fürchtet sich vor Schlangen, vor dem Terror seiner Klassenkameraden und vor dem Leben überhaupt. Spürt Jim doch ganz deutlich, dass da etwas tief in ihm ist, das ihn von den anderen unterscheidet.

Um dieses „geheime Herz“ zu verbergen, versucht der Junge, „so zu werden, wie alle ihn haben wollen“. Für seinen Vater verkörpert er die Rolle des „tüchtigen Prachtjungen“, der nur als Klassenbester mit sich zufrieden ist. Seine Mutter dagegen sieht in ihm ein empfindliches, sensibles Kind, das sie umsorgen und behüten kann. Obwohl Jim unter den rigiden Vorstellungen seiner Eltern leidet, ist es ihm nicht möglich, sich davon freizumachen. „Geheim-Jim“ braucht eine Maske, hinter der er sich verstecken kann: „Normal-Jim“. Er bemüht sich auch, es den Jungen seines Alters gleichzutun: Jim raucht, trinkt und lässt sich sogar von einem Mädchen küssen, doch „es war kein besonderes Gefühl gewesen“.

Was nämlich niemand hinter der Fassade erkennen kann, wird ihm zunehmend deutlicher: Jim verliebt sich in einen Jungen. Um trotzdem nicht einer von „denen“ – eine „Schwuchtel“, ein „Homo“ – zu sein, verleugnet er sich selbst zunächst noch schärfer. Erst als er Mats kennen und lieben lernt, gelingt es Geheim-Jim, die schmerzhafte Ablösung zu vollziehen und die Angst vor dem Leben zu überwinden.

Einfühlsam und glaubwürdig stellt Inger Edelfeldt die krisenhafte Identitätssuche eines homosexuellen Jugendlichen dar. Die Ich-Erzählung Jims ist geschickt mit der Perspektive seiner Mutter verknüpft. Jedes Kapitel beginnt mit einem kurzen, typografisch hervorgehobenen Abschnitt, der die Entwicklungen aus ihrer Sicht kommentiert. So wird das Problem der Familie mit der Andersartigkeit des Sohnes aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet und für den Leser in seinen Ursprüngen verständlich. Der Roman für Jugendliche und junge Erwachsene ist packend geschrieben und nicht nur für ein schwules Publikum interessant. Der Protagonist erkämpft sich seinen Weg aus fremd bestimmenden Erwartungen und befreit sein geheimes Herz. Diesen persönlichkeitsbildenden Prozess hautnah miterleben zu können macht den Reiz des Buches aus.

Leseprobe