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Titelbild
Peet, Mal:
Keeper
Deutsch von Eike Schönfeld
Hamburg: Carlsen 2006
224 S. € 14.-

Peet, Mal: Keeper

El Gato, die Katze – Geschichte einer Erwählung

von Bettina Hurrelmann (2006)

Die Weltmeisterschaft beschäftig hierzulande nicht nur Politik und Sport – auch der Buchmarkt ist hoch gerüstet: Fußball-Lexika, historische Bildbände, Sachbücher, Biographien, Fußball-Romane – teils im Medienverbund – türmen sich. Die Kinder- und Jugendbuchverlage gehen mit. Warum also nicht das Fußball-Thema für die Leseförderung nutzen? Vielleicht den einen oder anderen Lesemuffel unter den Jungen aktivieren? Es müssen ja nicht nur die „Wilden Fußballkerle“ sein ...
Ich möchte auf ein spannendes Fußball-Buch aufmerksam machen, das sich aus der Masse heraushebt. Es handelt sich um einen Roman, wenn man so will, um Fußball-Fantasy mit den Zügen einer postmodernen Legende. Für die Sekundarstufe I könnte es sich auch als Klassenlektüre eignen.
El Gato, die Katze, der berühmteste Torwart der Welt, hat mit seiner Mannschaft soeben den Weltmeisterschaftspokal gewonnen. Nun sitzt er bei einem befreundeten Journalisten zum Gespräch. Im sechsten Stock eines modernen Bürogebäudes muss man sich die beiden vorstellen, unten flimmern die Neonlichter, auf den Straßen braust der Verkehr einer südamerikanischen Großstadt. Und das Tonband läuft ...
Was der Torhüter erzählt, sprengt die Grenzen des Erwarteten. Immer wieder muss Paul Faustino, der Journalist, eine neue Kassette einlegen, Pausen gestatten, nachfragen. Er beginnt zu begreifen, dass hier etwas anderes läuft als das Einstunden-Interview, das er sich vorgenommen hatte. Auch Zweifel an der Glaubwürdigkeit El Gatos, der ihn doch nicht mit einer Erfindung hereinlegen wird, verfliegen angesichts der Gelassenheit des Erzählers und der Faszinationskraft seiner Geschichte.
Sie blendet weit zurück – wie in einen Ort außerhalb der Welt - in die Kindheit und Jugend des Erzählers, der aus einem Holzfällerdorf irgendwo im südamerikanischen Dschungel stammt. Dort sieht El Gato selbst die Wurzeln seiner exzeptionellen Torhüter-Begabung, nämlich in der Macht des Waldes und in der geisterhaften Unterstützung, die ihm in dieser Umgebung zuteil wurde. Auf einer Lichtung, die sich im Dschungel öffnete und auf der es merkwürdigerweise sogar ein Tor gab, will er dem „Keeper“, der Titelfigur des Romans, zuerst begegnet sein. Der Keeper ist kein Mensch aus Fleisch und Blut, sondern ein Phantom, der Geist eines Torwarts, der dem kaum der Kindheit entwachsenen Jungen, den die Altersgenossen spöttisch „La Cigüeňa“, den Storch, nennen, seine Bestimmung zuweist: „Da. Dein Platz. Da gehörst du hin.“ Der „Keeper“ wird ihm in der Folge nicht nur zum magischen Helfer, sondern zum strengen, unerbittlichen Coach. Schon bald, so berichtet El Gato dem staunenden Faustino, hatte er das Gefühl, dass der „Keeper“ dies alles nicht um seinetwillen, sondern um seiner selbst willen tat. Dafür hasste er ihn mitunter. Aber er nahm die Herausforderung an. Die Erwählung für einen Auftrag, der jetzt erst, mit dem Gewinn des Pokals erfüllt zu sein scheint ...
Geschickt verbindet der englische Autor, der hier seinen ersten Jugendroman vorlegt, die Rückschau des Ich-Erzählers mit den Zwischengesprächen der Interview-Partner. Der Journalist Faustino ist nicht nur Freund, sondern auch Medienprofi. Er fragt nach der Verwertbarkeit der Geschichte. Ganz richtig: Denn wie begierig nicht nur der tagesaktuelle Medienbetrieb, sondern auch der Buchmarkt der Gegenwart auf moderne Mythen gerichtet ist, auf die Vermischung von Phantastik mit Realitätsmomenten in wunscherfüllenden Fiktionen – , dafür ist ja der Roman selbst ein hervorragendes Beispiel. Und wenn sich am Ende herausstellt, dass dieser „Keeper“ im Grunde ein Wiedergänger ist, Torwart einer Mannschaft, die vor Jahren über dem Dschungel abgestürzte – kurz vor dem sicheren Gewinn eines Pokals – so gibt es auch dafür eine mögliche Verknüpfung mit der realen Fussballgeschichte ... Die Recherche könnte eine Herausforderung für Fußballfans sein!