zum Inhalt springen

Von Unbeschwerter Freude bis den tiefen Themen des Lebens –
komm mit in das bunte Abenteuer der Lyrik

von Sina Böhle, Tobias Horbach, Annika Lankes und Marie Schröder (2020)

Lyrik-Comics, herausgegeben von Stefanie Schweitzer im Jahre 2019, thematisiert in einem Dreiklang von Text, Bild und Musik eine breit gefächerte Sammlung von tiefen Themen des Lebens, wie Freude auf der einen Seite und Leid auf der anderen Seite. Hierzu rücken zahlreiche Autor*innen, Illustrator*innen und Musiker*innen 19 Gedichte für Kinder “in den besten Jahren” in ein neues Licht.  
Die kurzen Gedichte von mehr oder weniger bekannten Autor*innen, darunter der für seine Kunstmärchen bekannte Christian Morgenstein, umreißen  ernsten Themen wie Einsamkeit und Trauer, doch rücken diese nicht in den Vordergrund. Sie werden als das behandelt, was sie sind: normale Begleiterscheinungen des Lebens. Texte, Bilder und Klänge wirken dabei derart zusammen, dass der jungen Leserschaft ein kindgerechten Zugang eröffnet wird. Die vielseitige Darstellung ermöglicht eine individuelle Auseinandersetzung mit den lyrischen Texten. Um die zusammengewürfelten Gedichte in eine Struktur zu fassen, finden sich wiederkehrende Motive und dominierende Farben in je einem Gedicht, die einen Zusammenhang zwischen Text und Bild schaffen. Selbst beim Durchblättern wird so eine für die Kinder einfache Orientierung geboten. Somit wird ein roter Faden kreiert, an welchem sich die Kinder entlanghangeln können. Ausnahmslos wird zuerst das Gedicht und dann das Bild präsentiert. Zusätzlich wird bei einer Vielzahl von Gedichten die Möglichkeit geboten, dies auch als musikalische Vertonung aus sich wirken zu lassen.

Die unglaublich vielseitigen Illustrationen reichen von groben, skizzenhaften Zeichnungen, wie beispielsweise die der Wiesbadener Illustratorin Claudia Weikert, bis hin zu bis ins Detail ausgearbeiteten neuen Welten von Max Fiedler, der auf nur wenigen Seiten ein neues Reich unter unserer Erde erschafft. Während einige Seiten in einem klassischen “Bild-für-Bild” Comicstil gestaltet sind, werden andere Illustrationen kreuz und quer, bunt und auslaufend über das Papier geworfen und kreieren so ein auf den ersten Blick undurchdringliches Chaos. Schaut man jedoch genauer hin, sieht man all die mit Liebe gesetzten Details und weiß, dass jeder Strich und jeder Klecks genau so gewollt ist. Trotz den teilweise sehr umfangreichen Zeichnungen bleibt bei jedem Gedicht noch genug Interpretationsfreiraum für die Gedanken der Betrachter*innen.
Die musikalische Untermalung einzelner lyrischer Texte findet man auf der angegeben Internetseite (www.beltz.de/Lyrikcomics). 11 der 19 Gedichte wurden von Interpret*innen vertont, unter anderem von Lionel Tomm, der sich einen Namen bei der Zusammenarbeit mit der Affenhausgalerie gemacht hat. Etwas schade ist, dass es nicht zu allen Gedichten eine Vertonung gibt, sodass einige lyrische Texte nicht auf allen drei Ebenen wirken können. Darüber hinaus wäre es für jüngere Kinder einfacher zusätzlich die Möglichkeit zu schaffen, die Klänge über eine CD abzuspielen. Dies ist allerdings Kritik auf hohem Niveau, denn die Lieder sind allesamt unterhaltsam und machen das Lesen und vor allem Erleben der Gedichte noch spannender.  

Das wunderbare an diesen drei Ebenen des Erlebens eines Buches ist, dass es kaum eine Altersbeschränkung geben muss. An den bunten Illustrationen kann sich bereits ein Kleinkind erfreuen und neugierig all die Farben und Formen entdecken, während es den Klängen der Vertonung lauscht. Bedingt durch die unterschiedlichen Emotionen, die in den
Gedichten zu finden sind, bietet es sich im familiären Umfeld auch an, einzelne Gedichte in stimmigen Situationen ein zu setzten. Mit älteren Kindern kann im häuslichen oder sogar auch schulischen Kontext auch konkreter auf die Themen eingegangen werden, die die Gedichte bieten: Ist es okay auch mal allein sein zu wollen? Sollte man das Leben ohne Grenzen genießen? Denn obwohl einige der Gedicht ursprünglich nicht für Kinder geschrieben wurden, vergisst man dies sobald man den ersten Blick in das Buch wirft. Allerdings könnte die bei zwei Gedichten aus dem Original übernommene Kleinschreibung bei Kindern, die ohne Anleitung lesen, zu Verwirrungen führen, weshalb die Frage bestehen bleibt, ob man in diesem Fall eine “korrekte” Schreibweise hätte wählen sollen.  
Außerdem empfehlenswert ist die Gedichtesammlung für die Arbeit mit Kindern mit Förderschwerpunkten, da durch das visuelle und auditive Erleben auch Kinder, die sich mit dem klassischen Lesen und Schreiben schwer tun, hier in den Unterricht  mit eingebunden werden können.  

Insgesamt kann man “Lyrik-Comics” als einzigartiges Meisterwerk betiteln, welches zum Entdecken und zum Erforschen nicht nur Kindern Spaß macht, sondern sicherlich auch den Eltern. Die Gedichte sind bedeutend und doch simpel, die Illustrationen vielfältig und abenteuerlich und die Lieder machen nicht nur im Kontext des Buches Spaß.