Rhue, Morton: American Hero
Eine alternative Heldengeschichte
von Marieke Witte (2019)
„Mit einer Streitmacht aus unschuldigen Kindern, die keine Ahnung haben, worauf sie sich einlassen. Aber anders geht es doch gar nicht, oder? Denn wenn die Kids tatsächlich wüssten, wofür sie sich da einschreiben, dann würden sie es nicht tun. Und wenn sie sich nicht einschreiben, haben wir keine Armee. Und wenn wir keine Armee haben, gewinnen die Bösen.”
Dieser Überzeugung ist der 18-jährige Jake, die Hauptfigur aus Morton Rhues neuestem Buch „American Hero“. Jake ist ein jugendlicher Soldat, der sowohl körperlich als auch seelisch verletzt aus einem namenlosen Krieg heimkehrt. Zu Hause als Held gefeiert und von der Presse belagert, gelingt Jake der Wiedereinstieg in sein altes Leben jedoch nur schwer. Immer wieder wird er von seinen schrecklichen Erlebnissen verfolgt. Angeworben durch ein Rekrutierungsprogramm seiner Schule, gelockt durch Geld, Ruhm und doch auch aus Pflichtgefühl, ahnt er zu Beginn seiner konfliktreichen Einsatzzeit nicht, was alles auf ihn zukommen wird, denn so ruhmreich und heldenhaft, wie die amerikanische Öffentlichkeit den Krieg beschreibt, ist dieser in Wirklichkeit nicht. Das hat er selbst erlebt und es brennt ihm auf der Seele, die Welt darüber aufzuklären. Aber die ganze Wahrheit will niemand hören. Bis auf eine junge Reporterin seiner Schule, die mit allen Mitteln versucht, ihn aus der Reserve zu locken. Hin- und hergerissen zwischen seiner Familie und seinen Freunden, seinem ebenfalls hochdekorierten Großvater und seiner eigenen Moral, muss Jake eine weitreichende Entscheidung treffen.
„American Hero“ gibt einen Einblick in die Verwandlung, die sich in der Psyche eines Menschen vollzieht, der erlebt hat, was der Hauptcharakter dieser Geschichte durchlitten hat. Morton Rhue beschreibt einfühlsam, wie Familie und Freunde von Jake ebenso wie er selbst unter der Situation leiden und beleuchtet gleichzeitig schonungslos und verstörend dessen Kriegserlebnisse. Diese Ambivalenz wird allerdings im Nachwort etwas einseitig aufgelöst: Die Position des Autors, der durch „Die Welle“ international bekannt geworden ist, bleibt strittig und bietet Raum für weitere Diskussionen.
„The Price of Freedom“ (so lautet der viel plausiblere Originaltitel) traut sich, Kritik an der 'perfekten amerikanischen Gesellschaft' zu üben und steht gelichzeitig für sie ein. Und mit seinem fesselnden und kurzweiligen Schreibstil gelingt es Morton Rhue, junge wie ältere Leser*innen in seinen Bann zu ziehen. Sein Ziel, wie im Nachwort erwähnt, klarzumachen, dass ein Land seine Soldat*innen realistisch und nüchtern darauf vorbereiten sollte, in den Krieg zu ziehen, hat er definitiv erreicht. So wird der kurze Roman zur idealen Klassenlektüre, der für ein brandaktuelles Thema sensibilisiert, welches uns alle angeht.