Eggers, Dave: Die Mitternachtstür
Ein Blick ins Innere
von Ana Luisa Fuchs, Jaqueline Genten, Felix Jülicher (2019)
„Ein Versprechen ist wie der Boden unter unseren Füßen. Der muss fest sein. Wie können wir gehen und laufen und leben und lachen, wenn wir nicht auf den Boden unter unseren Füßen vertrauen können? Und genauso ist es mit Versprechen. Sie geben uns Halt. Sie halten alle und alles aufrecht.“
In dem kleinen, beschaulichen Ort Carousel scheint nichts so zu sein, wie es sein sollte. Für Granite Flowerpetal bedeutet der Umzug von der sonnigen Atlantikküste in die hügelige Kleinstadt (Carousel) mit ihren unerklärlich schiefen Häusern und rissigen Straßen einen Lebenswandel, den er sich nicht hätte erträumen können: Vom unscheinbaren Granite entwickelt er sich zum mutigen Gran, der zusammen mit seiner Freundin Catalina gegen das Schicksal der Stadt ankämpft. Denn seit der Karussellbau in der Stadt zurückgegangen ist und die Besucherzahl immer weiter abgenommen hat, bis sie schließlich vollends ausgeblieben ist, ist die Stadt von tiefer Traurigkeit und Verzweiflung erfasst worden. Die Menschen haben ihre Arbeit und somit ihre Lebensgrundlage verloren. Die Folgen dieser Traurigkeit hat niemand erahnen können: Enorme Winde, die besonders stark dort sind, wo große Verzweiflung und tiefe Traurigkeit herrschen, wüten in Gängen unter der Erde und erschüttern die Kleinstadt. Grans und Catalinas Aufgabe ist es, diese Hollows (Winde) zu besiegen.
Dave Eggers („The Circle“) gelingt es in „Die Mitternachtstür“, die Leser*innen durch eine einfache und bildhafte Sprache in Grans Welt mitzunehmen und darin zu fesseln. Detaillierte Beschreibungen der Situationen und Figuren regen die Fantasie der Leser *innen an und lassen sie mit einer umfassenden Vorstellung der Geschehnisse zurück. In seinem Debut der Kinderliteratur hat Eggers mit Feingefühl bewiesen, dass er auch jüngere Leser*innen begeistern kann. Nichtsdestotrotz muss an dieser Stelle gesagt werden, dass Eggers in „Die Mitternachtstür“ alle Aspekte abarbeitet, die es vermeintlich braucht, um die Merkmale eines Kinderbuches zu erfüllen – und das ist nicht unbedingt ein Gewinn für den Text.
Die Ich-Erzählung lässt die Rezipient*innen an den Gedanken des Protagonisten teilhaben, bietet jedoch gleichsam Spielraum für eigene Vorstellungen und somit auch für Überraschungen. In seinem Buch beschreibt Eggers die Vorkommnisse in Carousel so akribisch, dass die Figuren zu vertrauten Gestalten werden. Leider endet die Geschichte abrupt, was die Leser*innen nach 364 Seiten alleine dastehen lässt. Es wäre wünschenswert, ein ebenso detailreiches Ende genießen zu können, wie es Beginn und Mittelteil der Erzählung sind.