Präkels, Manja: Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß
‚Hitler‘ kehrt zurück – zwischen DDR und Mauerfall
von Greta Fexer, Sophia Rolf und Samira Warenawan (2019)
„Er verschwand und ich stand noch auf der Veranda, als alle übrigen Gäste längst gegangen waren. Starrte den Himmel an. Kippte Schnäpse in mich hinein und betäubte die Ahnung, der Junge, den sie Hitler nannten, habe mir damals das Leben gerettet.“ (S. 230)
Manja Präkels, Preisträgerin des Deutschen Jugendliteraturpreises 2018, erzählt in ihrem autobiografisch angehauchten Debüt-Roman Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß das Leben vor allem heranwachsender Menschen in der ehemaligen DDR und in der Übergangszeit des Mauerfalls. Dabei zeigt sie, wie der Systemwechsel nicht nur die politischen Orientierungen verändert, sondern mit der Gesellschaft auch Familie und Freundeskreise transformiert.
Mimi, die 1974 geborene Ich-Erzählerin des Romans, erinnert sich zunächst an ihre von der DDR geprägte Kindheit und Jugend. Insbesondere berichtet sie von dem Alltag der Menschen, die mit ihr gemeinsam in einer Kleinstadt an der Havel lebten. So entfaltet sich vor allem im ersten der insgesamt vier Großkapitel des Romans eine Art Kindheits- und Jugendpanorama der DDR. Mit dem Mauerfall wird nicht nur ihre Alltagswelt, sondern werden auch ihre Freundschaften und ihr politisches Selbstverständnis in Frage gestellt. Als ihr ehemaliger Freund Oliver auch noch unter dem Kampfnamen ‚Hitler‘ eine Neonazi-Bande anführt, wird Mimi Zeugin und schließlich selbst Opfer furchtbarer Gewalttaten…
Zerfall, Wut und Hilflosigkeit durchziehen den Roman und verdeutlichen, dass der Mauerfall alleine die Menschen nicht politisch und emotional vereinen konnte. Manja Präkels beschreibt die tiefen Spuren der Auflösung des sozialistischen Staates, die in den Biografien der Menschen hinterlassen wurden, mit teilweise dokumentarischen Genauigkeit.
Dabei gelingt es der Autorin, die Leser*innen auf eine Reise in die Vergangenheit mitzunehmen. Auch über die letzten geschriebenen Zeilen hinaus verbleibt man in einer anderen Welt – einer Welt, über die man einerseits noch mehr erfahren möchte, andererseits aufgrund der Schilderung drastischer Gewalttaten in den ‚Modus der Verdrängung‘ gerät. Der Roman lässt die persönlichen Folgen des Niedergangs der DDR greifbar werden und stellt auch – gerade im Hinblick auf heutige rechtsradikale politische Tendenzen – ein wichtiges Plädoyer für Zivilcourage dar.