Friz, Paolo: ICH knack die Nuss
Ein unverbesserlicher Dickschädel
von Juliana Warecha (2012)
Gorillino, das kleine Gorillakind, findet eine Kokosnuss, die er versucht zu öffnen. Dass das nicht so einfach ist, wird schnell klar. Aber angebotene Hilfe lehnt er ab. „ICH knack die Nuss“ lautet denn auch der Titel des neuen Bilderbuchs von Paolo Friz.
Die Geschichte beginnt bereits auf dem vorderen Buchdeckel: Der kleine Gorillino steht vor sieben verschiedenen Tieren und hält die gefundene Kokosnuss hinter seinem Rücken versteckt. Papa Gorilla, Krokodil, Löwe, Nashorn, Geier, Elefant und Giraffe schauen erwartungsvoll zu ihm hinab. Jedes Tier bietet dann an, auf seine je eigene Weise die Nuss für Gorillino zu öffnen, das Krokodil z. B. mit den Zähnen, die Giraffe mit dem Huf usw. „Nein, ich schaff das allein!“, antwortet Gorillino ehrgeizig und voller Tatendrang. Daraufhin verschwinden die Tiere nach und nach: „Dann eben nicht, du kleiner Dickschädel“. Auf der darauf folgenden Seite versucht Gorillino, die Methode des jeweiligen Tieres selbstständig umzusetzen, bevor ein neues Tier hinzutritt und wieder eine mögliche Methode benennt. Dabei gleichen sich die Dialoge in Ablauf und Wortwahl. Diese Wiederholungen in den Handlungen und Dialogen geben der Geschichte einen gleichförmigen Rhythmus, ohne dass diese dabei an Spannung einbüßte: Man fragt sich: Was hat Gorillino als nächstes vor? Wen trifft er? Schafft er es?
Gorillino bleibt bei der Umsetzung der Methoden zunächst ohne Erfolg. Doch dann kommt ihm eine Idee: Mit einer eigenen pfiffigen Konstruktion, die alle von den Tieren genannten Methoden geschickt kombiniert, versucht er die Kokosnuss zu öffnen. Es folgt ein Moment der Überraschung. Auf der nächsten Seite haben sich alle Tiere wie auf dem Titelbild versammelt und schauen staunend-überrascht zu Gorillino auf. Ein Ende nimmt die Geschichte auf dem hinteren Buchdeckel: Dort sitzt Gorillino zufrieden auf dem Boden und verspeist genüsslich die selbst geknackte Kokosnuss.
Das Bilderbuch besteht aus neun Doppelseiten im Querformat. Die Seiten sind aus dicker Pappe hergestellt und somit für kleinere Kinder sehr gut fassbar. Jede Doppelseite enthält einen Text von fünf bis acht (Halb-)Zeilen. Die Texte sind kurz, eingängig und trotzdem anspruchsvoll. Dabei helfen die Wiederholungen gerade kleineren Kindern, sich schnell zu orientieren, und laden zum Mitsprechen ein. Auch die Kreativität der Kinder wird angesprochen, da sie sich im Laufe der Geschichte eigenständig Gedanken machen können, wie sie die Kokosnuss öffnen würden.
Die Zeichnungen der Tiere sind detailliert und der Natur entsprechend. Auffallend sind die die Tierkörper begrenzenden Umrisslinien und die Bearbeitung der in satten, natürlichen Farben gehaltenen Flächen mit Computertechnik. Auf dem monochromen, elfenbeinfarbenen Hintergrund deuten Schattierungen sowie einzelne Gegenstände die räumliche Organisation an, Speedlines markieren mitunter Bewegung im Raum. An den Bildecken sind Büsche und Gräser angeschnitten, die den Zeichnungen einen Rahmen geben und die Bilder dynamisch wirken lassen. Die Tiere werden durch ihre freundlichen Blicke vermenschlicht dargestellt, und auch Gorillino sticht durch seine ausdrucksstarke Mimik hervor. Das Größenverhältnis der Tiere wird eingehalten. Hierbei ist die Illustration der Giraffe besonders hervorgehoben: Das Buch muss gedreht und im Hochformat betrachtet werden, um die beeindruckende Größe des Tieres wahrzunehmen.
Der Schweizer Paolo Friz studierte Illustration, Kunst und Design. Er wirkte bei dem Kinderbuch „Sydney und Nelson“ mit, welches sich erfolgreich in verschiedenen Ländern verkauft hat. In seinem zweiten Bilderbuch erzählt er nun eine spannende und ermutigende Geschichte für kleinere Kinder ab zwei Jahren. Der Betrachter schließt den kleinen trotzigen Gorillino sofort ins Herz. Die Identifikation mit dem Gorillakind fällt den kleinen Zuhörern vermutlich leicht, da sie selbst Momente kennen, in denen sie, von Ehrgeiz ergriffen, etwas allein, ohne Unterstützung von Erwachsenen schaffen wollen. Das Bilderbuch unterstützt Kinder in ihrem Mut, etwas alleine zu schaffen, und Eltern dabei, ihren Kinder auch mal den Freiraum dazu zu geben.